Die Plantage: Roman (German Edition)
Problem, scheint es, liegt vielmehr bei Ihnen und Ihrem mangelhaften Können als Fahrer.«
Empört sprang der junge Mann vom Wagen. Da schaltete sich seine Begleiterin ein, die unter ihrem Hut und Schleier verborgen das Geschehen schweigend verfolgt hatte. »Warte, Ronnie!«
»Glaubst du, ich lasse mir das gefallen?«, rief er und wandte sich wieder gegen William, doch die Dame mahnte erneut: »Bitte, Ronnie, halte dich zurück. Der Gentleman scheint zu wissen, wovon er spricht.«
Die Stimme! William vergaß den Stutzer und konzentrierte sich auf die Begleiterin, deren Stimme so vertraut klang. Nur das Gesicht dazu wollte ihm nicht einfallen, und unter dem Schleier waren ihre Züge nicht zu erkennen. »Madam, bitte lassen Sie mich mein Versäumnis nachholen und Ihnen einen guten Tag wünschen!« Er wechselte den Ebenholzstock in die Linke, nahm den Hut ab und verbeugte sich.
Sie betrachtete seine strenge schwarze Aufmachung, die ihn deutlich von den Männern der Londoner Gesellschaft, denen modische Verfeinerung über alles ging, unterschied. Nein, dieser Mann gehörte in einen anderen Kontext, Haltung und Tonfall zeugten eindeutig von martialischem Charakter. Sie war ihm schon einmal begegnet, aber wann? Und wo? Ronnie täte jedenfalls gut daran, vorsichtig zu sein.
»Es war sehr freundlich von Ihnen, uns behilflich zu sein. Doch wir sind in Eile«, sagte sie bestimmt. »Leben Sie wohl, mein Herr!«
»Es war mir eine Freude, Madam! Guten Tag, Sir!«
Er hatte den Park bereits verlassen, als Ronnie in den Wagen stieg und das Pferd halbherzig antrieb.
Gemächlich rollte der Wagen durch das Tor nach Piccadilly und folgte dem Boulevard nach Westen. Bei Nummer sechzehn, Park Lane hielten sie und Ronnie war seiner Begleiterin beim Aussteigen behilflich. Auf dem Weg ins Haus sagte sie:»Ich weiß jetzt, an wen mich dieser Mann im Park erinnerte, Ronnie!«
Ronald York sah verstimmt drein. »Es interessiert mich nicht im Geringsten, wer dieser Mensch war! Wir sollten die ganze Sache vergessen, Beatrice.«
Beatrice Trenton schlug den Schleier des extravaganten Hutes zurück; amüsiert blitzten ihre mandelförmigen Augen. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob er sich seines Glückes bewusst war, einer Frau wie ihr den Arm reichen zu dürfen.
»Gut, Ronnie, wir vergessen den Vorfall!« Um ihn ein wenig zu quälen, setzte sie hinzu:»Ich fürchte nur, er wird es nicht tun.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, du warst nicht gerade höflich. Es ist unklug, sich solch einen Mann zum Feind zu machen.«
»Dann weißt du also, wer er ist?«
»Ich sagte doch gerade, dass ich mich wieder erinnere.« Über die Buchshecke hinweg pflückte sie ein paar frisch erblühte Azaleen, dabei fuhr sie fort: »Er heißt Spencer. Vor ein paar Jahren hatte er eine Affäre mit Persephone Hunter. Na ja, du kennst Percy: Als Spencer in den Krieg zog, vertrieb sie sich die Zeit mit seinem Freund Earnshaw. Die beiden waren nicht gerade diskret, jedenfalls erfuhr Spencer davon. Er muss so wütend gewesen sein, dass Earnshaw schon erwogen hatte, sich nach Indien versetzen zu lassen.« Nachdenklicher fügte sie hinzu: »Ich weiß noch, dass Percy fast erleichtert schien, als es hieß, Spencer sei kurz vor Kriegsende in Carolina gefallen.«
»Dann war der Mann eben im Park jedenfalls nicht Spencer.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Sie betrachtete abwesend die blutroten Blüten in ihrer Hand. »Amerika ist weit weg. Wer könnte sagen, was dort wirklich passiert ist?«
Nach dem Lunch zog sich William auf sein Hotelzimmer zurück. Er ließ sich in einen Sessel fallen, nahm vom Tisch eine Zeitung, überflog die Meldungen der Titelseite, doch er war nicht bei der Sache. Seine Gedanken kehrten ständig zu der Unterredung mit Cornwallis zurück. Unzufrieden warf er die Zeitung wieder auf den Tisch und versank in tiefes Grübeln.
Die Absage seines Generals war eine herbe Enttäuschung. Nicht dass er erwartet hätte, im Handumdrehen wieder in den Dienst eintreten zu können. Es war ihm bewusst, dass seine Rückkehr den General in eine delikate Lage brachte. Durch seine Anwesenheit hier in London geriet Cornwallis unter Zugzwang: Selbst wenn er persönlich bereit wäre, Williams Gründe ungeprüft gelten zu lassen, müsste er zu der langen Abwesenheit seines Untergebenen offiziell Stellung nehmen. Er müsste Williams Verhalten in einer für alle Beteiligten nachvollziehbaren Weise erklären und billigen; erst danach bestünde die Möglichkeit,
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