Die Plantage: Roman (German Edition)
fragte: »Ist es wahr, dass Mrs. Lorimer in der Stadt ist?«
»Sie besucht ihre Schwester, Sir. Sie können sie in Lyndon House antreffen.«
»Vermutlich ist sie nicht erst heute mit Ihnen angekommen, Mr. Robert?«
Joshua überlegte einen Augenblick. »Sie war bei Bekannten im Lowcountry, ehe sie hierherkam.«
Jetzt wollte Tyler es genau wissen. »Man hört, die Dame habe einen Besuch am Ashley River gemacht.«
»Hört man das?«
»Es heißt, sie sei mehrere Tage zu Gast auf Hollow Park gewesen!«
»Ihre Sorge um Mrs. Lorimer in Ehren, Sir. Aber wann und wo sie Besuche macht, ist wohl allein ihre Sache.«
»Nein, Mr. Robert, da bin ich anderer Meinung. Solche unbesonnenen Freiheiten führen nur zu Gerede.«
Jetzt fuhr Joshua auf: »Wer versucht, Mrs. Lorimer ins Gerede zu bringen?«
»Hocksley!«
Joshua atmete tief durch. »Seit Mrs. Lorimer Legacy besitzt, versucht Mr. Hocksley, ihr zu schaden. Dazu ist ihm jedes Mittel recht; sie ins Gerede zu bringen, zählt zu den harmloseren Varianten. Eines sollten Sie wissen: Wenn Sie Mrs. Lorimers Partei ergreifen, wird Hocksley sich auch gegen Sie wenden.«
Tyler nickte und blickte finster zu Boden. Als er wieder aufsah, hatte er einen Entschluss gefasst. »Ich habe mir Hocksley längst zum Gegner gemacht, das ist nichts Neues, ich kann damit leben. Aber was ist mit Mr. Reed? Damit könnte ich ehrlich gestanden weniger gut leben.«
»Ich glaube, dazu kann nur Mrs. Lorimer etwas sagen.«
»Dann werde ich sie fragen.«
Tyler verließ schnurstracks die Börse, hielt die erste Droschke an und nannte dem Kutscher als Fahrtziel Hausnummer vier, Meeting Street. Er verbat sich alle Spekulationen bis zu dem Moment, da er Antonia gegenüberstünde. Keine zehn Minuten später betrat er ihren Salon.
Sie stand lächelnd von ihrem Platz am Schreibtisch auf. Nie würde er vermuten, dass sie, als er angemeldet wurde, noch beim Frühstück saß, in fliegender Hast den bequemen Hausmantel gegen Kleid und Schuhe getauscht und sich das Haar aufgesteckt hatte. Eigentlich müsste er die Luftwirbel noch spüren, dachte sie, als er ihre Hand ergriff und küsste. Erst als er wieder aufsah, merkte sie, dass er sich formeller gab als sonst.
Tyler bedeutete ihr mehr, als sie sich eingestehen wollte. Nachdem er sich anfangs nur um die finanzielle Absicherung der Plantage gekümmert hatte, suchte sie, seit William fort war, seinen Rat auch in anderen Dingen. Sie war gern mit ihm zusammenund genoss es umso mehr, als sie wusste, dass er sie verehrte. Das hieß nicht, dass er Williams Platz eingenommen hätte. Er war ihr Vertrauter, mehr nicht. Sie ließ ihn stets die Grenzen ihrer Freundschaft spüren, und er schien es zu akzeptieren. Wie er heute ihre Aufmerksamkeit einforderte, fand sie, stand ihm nicht zu.
»So früh, so unaufschiebbar war Ihr Besuch noch nie, Mr. Tyler.« Sie hob die Brauen, denn noch immer hielt er ihre Hand. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Ehre, Madam! In der Tat, um der Ehre willen bin ich hier, genauer gesagt, um meiner Ehre willen, mit der es sich nicht verträgt, was man sich über Sie erzählt!«
Sofort entzog sie ihm ihre Hand und setzte sich, ohne ihm einen Platz anzubieten. »Was hat man Ihnen denn erzählt, dass Sie gleich um Ihre Ehre fürchten müssten?«
Einen Augenblick stand er schweigend vor ihr, dann sagte er: »Ich hatte immer den Eindruck, Sie schätzten meine Gesellschaft.«
»Haben Sie Anlass, daran zu zweifeln?«
»Allerdings! Ganz offensichtlich scheinen Sie die Gesellschaft eines anderen der meinen vorzuziehen.«
Der scharfe Ton ließ sie aufhorchen.
Schon fuhr er aufgebracht fort: »Glauben Sie, ich kann Ihren Besuch auf Hollow Park ignorieren, wenn die halbe Stadt darüber spricht? Vielleicht gilt Ihr Interesse schon länger Mr. Reed, nur ich bin der Einzige, der nichts davon wusste!«
»Nein, nicht doch, ich bitte Sie!«, sagte sie tonlos, während alles Blut aus ihren Wangen wich.
So ungehalten Tyler war, entging ihm doch nicht, dass seine Vorhaltungen ihr einen argen Schock versetzten. Einesteils hatte er befürchtet, sie würde ihre Neigung für Reed eingestehen, andernteils gehofft, seine Eifersucht würde sich als unbegründet erweisen. Dass seine Frage sie in solche Verwirrung stürzen würde, hatte er nicht erwartet.
»Was ist passiert, Madam?«, fragte er ernst. »Ich sehe Ihnen an, dass etwas Unerfreuliches vorgefallen sein muss. Hat dieser Mann sich unkorrekt verhalten?«
»Aber nein, wo denken Sie hin. Ich wüsste
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