Die Plantage: Roman (German Edition)
Treppe gestanden und William gebeten hatte, als ihr Verwalter auf Legacy zu bleiben? Sie schloss die Augen und machte den Fehler, der Erinnerung nachzugeben; sie spürte Williams heftige Umarmung, den Blick seiner hellgrauen Augen, hörte ihn noch einmal ›Leb wohl, Liebste!‹ sagen. Das Gefühl des Verlusts schmerzte genauso, als hätte er sie in diesem Augenblick verlassen. Sie umschlang ihre Knie, wiegte sich leise und fragte sich, warum sie ihn nicht dafür hassen konnte. Es wäre so viel leichter.
Mitternacht war vorbei, als Joshua vors Haus trat und auf der Treppe ihre schmale Gestalt bemerkte. Er setzte sich zu ihr, blickte zum sternenübersäten Himmel und sagte: »Was machen Sie noch so spät hier draußen, Ma’m?«
»Ich habe auf dich gewartet.«
Er sah wieder auf die Erde, sah die Landschaft im nächtlichen Frieden. »Was soll ich nur tun?«, fragte er leise. »Sagen Sie mir, wie ich sie beschützen kann.«
Er hatte sich ihr zugewandt, Verzweiflung in den Augen. Sie kannte ihn gut, er gab nicht schnell auf. In den vergangenen Stunden musste er jede Möglichkeit, wie er Rovena retten könnte, im Geiste geprüft und am Ende doch verworfen haben. Jetzt bat er sie um ihre Hilfe.
Als Ingham ihr erzählte, man habe die Mougadous ins Work House gesperrt, hatte sie nicht bedacht, dass sich die Anschuldigungen in erster Linie gegen Rovena richteten. Konnte sie zulassen, dass Joshuas Frau umkam, würde sie zusehen, wie sein Glück zerbrach? Nur weil sie einen Irren schützen wollte, der in seinem mörderischen Zwang nicht wusste, was er tat? Nur weil dieser Mann sein Leben in ihre Hand gegeben hatte? Unsichtbar ragte über ihr das monströse Rad; noch stand es still.
»Kannst du mir sagen, was du über Rovenas Zusammenkünfte weißt?« Sie wollte möglichst sachlich über alles reden, und Joshua ging darauf ein.
»Ich weiß nicht mehr als Sie, denn ich war nie dabei. Ich brachte Rovena an den Ashley River, wenn sie mich darum bat, das war alles.«
»Wieso der Ashley River?«
»Fast alle Mougadous leben auf den Pflanzungen von Hollow Park. Es heißt, Mr. Reed erwerbe diese Leute ganz gezielt für seine Plantagen. Er weiß auch von den Versammlungen.«
»Das kann nicht sein! Die Pflanzer verbieten Voodoo.«
»Er nicht. Rovena hat erzählt, er habe es sich selber angesehen.«
»Aber wieso?«
»Anscheinend will er wissen, was sie bei ihren nächtlichen Zusammenkünften tun. Er reitet wie zufällig vorbei, bleibtmanchmal stehen und hört ihren Liedern zu. Sie wissen, dass er sie gewähren lässt.«
Antonia konnte nicht glauben, dass Reed erlaubte, was andere Grundbesitzer aufs Schärfste bestraften. Wie verrückt war er eigentlich? Oder, fuhr es ihr durch den Kopf, vielleicht war er gar nicht so verrückt, wie sie dachte.
»In der Nacht, die Sie auf Hollow Park verbracht haben, hat Rovena ihn auch wieder gesehen«, sagte Joshua.
Ihre Blicke begegneten sich – ein Ruck, die Speichen hatten sich um einen Schlag weitergedreht, dann stand das Rad wieder still.
»Glaubst du, Mr. Reed wäre nachts fortgeritten, während ich in seinem Hause zu Gast war?«
»Ich weiß nur, was Rovena erzählt hat. Die Mougadous hatten sich bei Stratton am Ashley River versammelt. Da ist er ihnen begegnet. Er kam über den Damm, hielt bei ihnen, dann ritt er weiter. Er war in der Nacht unterwegs, so viel ist sicher.«
Es gefiel ihr nicht, welche Wendung ihr Gespräch nahm. »Es ging mir nicht gut, als ich auf Hollow Park ankam«, sagte sie ausweichend. »Ich musste mich hinlegen und habe lange geschlafen. Ich kann also dazu nichts sagen.«
»Aber es wäre doch eine Möglichkeit!«
»Was meinst du, Joshua?«, flüsterte sie erschrocken.
Er aber sagte lebhaft: »Erkennen Sie es denn nicht? Mr. Reed hat die Zusammenkünfte oft beobachtet, er weiß, dass nichts Ungutes oder Gefährliches dabei passiert. Er ist auch letzten Freitag zu ihnen an den Ashley River gekommen und hat gesehen, dass sie nichts Böses getan haben. Bitte, Miss Antonia«, sagte er flehend, »reden Sie mit Mr. Reed! Er könnte dem Richter in Charles Town erzählen, was er in der Nacht gesehen hat. Er könnte bezeugen, dass meine Frau und seine Sklaven unschuldig sind. Er ist ein feiner Herr, er wird es Ihnen nicht abschlagen können, wenn Sie ihn darum bitten.«
Der Gedanke war einleuchtend: Würde Reed bezeugen,dass die Voodoo-Rituale harmlos waren und von ihm geduldet wurden, könnte das den Vorwurf gegen die inhaftierten Sklaven und Rovena
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