Die Plantage: Roman (German Edition)
entkräften. Doch er würde sich selbst in Gefahr bringen, denn in seiner Zeugenaussage käme unweigerlich sein nächtlicher Ausritt zur Sprache. Zwar schuldete er als Gentleman für seinen Lebenswandel niemandem Rechenschaft, trotzdem würde das Gericht wissen wollen, was er in der Nacht, in der Prudence Fraser getötet worden war, in dieser Gegend gemacht habe.
Reed wusste, dass er nicht mit dem Fall von Elverking in Verbindung gebracht werden durfte; darum hatte er keinen Finger gerührt, um seine Sklaven zu retten. Das, worum Antonia ihn jetzt bitten sollte, wäre glatter Selbstmord. Um Joshua von seiner Idee abzubringen, sagte sie: »Meinst du nicht, Mr. Reed hätte versucht, seine Sklaven zu schützen, wenn es eine Aussicht auf Erfolg gegeben hätte? Immerhin gehen ihm vierzehn vollwertige Arbeitskräfte verloren. Wenn er eine Chance gesehen hätte, sie zu behalten, hätte er längst etwas unternommen.«
Joshua nickte bedächtig. »Sie haben recht, wahrscheinlich konnte er für seine Leute wirklich nichts tun. Aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben, ganz gleich wie gering die Chancen für Rovenas Rettung sind. Ich bin ein freier Mann, Verwalter einer traditionsreichen Plantage, ich trage Verantwortung und genieße einen gewissen Respekt.« Der Ausdruck von Verzweiflung war wie weggewischt. »Morgen werde ich an den Richter schreiben. Als Rovenas Ehemann habe ich das Recht, sie zu sehen.«
Vor Antonias Schlafzimmerfenster lag der nächtliche Garten wie eine Bühne unter der silberweißen Mondscheibe. Es gab keine Farben, alles war fahl, bleich, grau. Von hier oben konnte sie den Grundriss der barocken Gartenanlage erkennen, ihre verborgene Symmetrie wurde bei längerem Hinsehen sichtbar,die Wege und Rabatten des alten Plans traten aus den verwilderten Grünflächen hervor, wie eine Geheimschrift in alkalischer Lösung. Der Nachtwind rauschte im Laub der riesigen Umbrellamagnolie, der Seele des Gartens.
Sie musste nicht lange warten. Einer nach dem anderen erschienen als blasse Schatten im Mondlicht die Akteure auf der Bühne ihres Lebens: Joshua zuerst, der mehr als jeder andere für sie getan hatte, und mit ihm Rovena und Charlene. Sie war im Begriff, ihnen Schreckliches anzutun … Andrew Tyler, von dem sie Treue verlangte, während er nur die Oberfläche ihrer Haut lieben durfte, armer Andy … Hocksley, seinen Neid und seine Ränke kannte sie lange genug, um auf alles Böse gefasst zu sein … Algernon Reed, er war ihre Bürde. Sie wollte Unschuldige opfern, um seine Menschenwürde zu bewahren … Schließlich William, der Eine und Einzige, ihm gehörte ihre Liebe. Er würde ihr Mitleid für Reed nie verzeihen, und so lief sie Gefahr, ihn für immer zu verlieren … Sie wandte sich ab und legte sich in ihren Reisekleidern aufs Bett. Es sollte endlich Friede sein.
38.
Bei jedem Schlagloch schwankte die Ladung und neigte sich bedenklich über die Seitenbretter, während der Stellwagen über den Uferdamm holperte. Prall gefüllte Rupfensäcke von der Größe kapitaler Schafböcke türmten sich auf der Ladefläche. Es war eine von vielen Fuhren, die seit Börseneröffnung von der Plantage zu Crossbows Lagerhaus in Charles Town geliefert wurden. Der Tabak von Elverking verkaufte sich gut, die Preise stiegen, Crossbow konnte zufrieden sein.
Gabriel Quinn saß lässig auf dem Kutschbock und überließ es dem Gespann, das Tempo vorzugeben. Es war heiß,aber nicht zu heiß, und es gäbe Schlimmeres, als für einen Tag in die Stadt zu fahren. Er ließ sich Zeit, denn er war froh, der Routine von Elverking für ein paar Stunden zu entkommen. Seit Javis’ Tod musste er neben seinen Aufgaben als Stallmeister auch noch die des Aufsehers erfüllen; er hatte schon jetzt genug davon. Quinn war kein Sklaventreiber und wollte es auch nicht werden. Zum Glück hatte er es auf Elverking mit den Schwarzen nicht schwer. Der Vorarbeiter, der Caid Jeremy, wusste mit seinen Leuten umzugehen; und er fiel Quinn nicht in den Rücken, wenn Crossbow das Ergebnis auf die Schnelle steigern wollte und Quinn Zusatzschichten einplanen musste.
Nein, Menschen schinden war nichts für ihn. Nicht dass er zimperlich wäre. Aus freien Stücken war er damals zur Miliz gegangen; seither wusste er, was es hieß, auf verlorenem Posten zu kämpfen. Die gedrillten britischen Regulars verachteten die Landwehr und gewährten gefangenen Milizen kein Pardon. In seinen drei Kriegsjahren hatte er neben vielen Niederlagen auch ein paar heroische
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