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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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zurückkehren.
    Wie bei früheren Lebensentscheidungen vertraute er auch diesmal darauf, dass seine Intuition ihm den Weg wies. Als er neben der Levada den Hang hinab zur Stadt lief, kannte er sein Ziel bereits von früheren Erkundungsgängen durch Funchal. Heute betrat er das weiße Haus mit den bunt glasierten Azulejos am Tor zum ersten Mal. Im begrünten Innenhof sah er zu den schmiedeeisernen Balkonen und dem Rankwerk von Bougainvilleen und Macleayen hinauf, als ein Diener in weißer Tunika sich lautlos auf bloßen Füßen näherte.
    »Sie wünschen, Señor?«
    »Ich möchte Señor Turner sprechen.«
    Der Diener verneigte sich tief und sprach: »Wen darf ich melden?«
    »Mein Name ist Miguel Martinez.« Das graue Klosterhabit hatte er unter einem Ginsterstrauch bei der Porta Benedicta zurückgelassen. Stattdessen hatte er die Kleider angezogen, die er beim Untergang der Tristar getragen hatte. In seinem blauen Admiralsrock, einem halbwegs weißen Hemd, Samthosen und Stulpenstiefeln wirkte er wie ein Marineoffizier, der ein neues Kommando und etwas Fortüne brauchte.
    Nachdem der Diener gegangen war, wurde Roscoe sich des schweren Blütendufts in dem üppig bewachsenen Patio bewusst.Von überall klang der Gesang kleiner Vögel, die in Käfigen entlang der Laubengänge flatterten und den Innenhof mit ihren rollenden und zwitschernden Kadenzen erfüllten. Zwei Kinder kauerten unter dem Treppenaufgang und spielten mit jungen Katzen.
    Er stand ganz still und nahm die Empfindung des Augenblicks in sich auf: der kühlschattige Patio, duftende Blüten, Vogelzwitschern, Kinderlachen – so sollte es sein, das Leben am Mittag, zwischen Erinnerungen an eine erfüllte Nacht und der Aussicht auf guten Machismo unter Freunden. Er schloss die Augen, er durfte diesen Augenblick nicht vergessen. Er brauchte eine Vision wie diese, um zu tun, was er jetzt tun musste.
    »Señor Turner lässt bitten.«
    Der Diener führte ihn in einen orientalisch anmutenden Raum und bat ihn um einen Augenblick Geduld. In einem mit kostbaren Fayencen eingefassten Bassin blühten Seerosen; unter der Wasseroberfläche standen Zierfische, bewegungslos bis auf den leichten Kiemenschlag. Roscoe ging zu einem Bogengang gegenüber der Tür, dahinter lag ein zweiter Innenhof. Unter den umlaufenden Arkaden türmten sich Warenkisten, Fässer, Säcke. Am Boden, zwischen Körben und verschnürtem Gepäck, saßen Männer vorwiegend jüngeren Alters, manche von ihnen schliefen, andere unterhielten sich oder besserten Kleidung und Schuhwerk aus. Sie alle machten keinen glücklichen Eindruck, als teilten sie denselben Fatalismus. Die Szene wirkte bedrückend, aber nicht beunruhigend.
    »Señor Martinez, vermute ich?«
    Roscoe drehte sich um. Ein Mann mittleren Alters mit schmalem Schnurrbart und blasser sommersprossiger Haut kam rasch auf ihn zu und neigte zur Begrüßung kaum merklich den Kopf. Auf Englisch angesprochen, fiel auch Roscoe übergangslos in sein schleppendes Südstaatenenglisch: »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Turner.«
    »Ganz meinerseits«, antwortete Turner gut gelaunt. Sie nahmen in bequemen Korbsesseln Platz. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Señor Martinez?«
    Bevor Roscoe antwortete, erkundete er ein letztes Mal seinen Willen, dachte an Algernon, an die Freundschaft, die sie verband. Ja, sein Entschluss stand unumstößlich fest. »Ich muss nach Amerika. Wie ich hörte, vermitteln Sie die Möglichkeit einer Überfahrt.«
    Turners blaue Augen blitzten kurz auf. »Was ist passiert, dass ein Gentleman diesen Weg in Betracht ziehen muss?«
    »Ich habe mein Schiff verloren, Fracht, Kreditbriefe, alles. Nun will ich noch einmal von vorn anfangen.«
    »Jung genug sind Sie«, sagte Turner geschäftsmäßig. »Die Bedingungen der Indentur sind Ihnen bekannt? Die Überfahrt, danach sieben Jahre Plantagenarbeit gemäß den allgemeinen Bestimmungen. Kein Vergnügen, aber zu schaffen für einen Mann, der weiß, was er will.«
    »Wo genau wird es hingehen?«
    »Ich vermittele meine Klienten an Señor Duarte Cortés, er wiederum beliefert die südlichen amerikanischen Provinzen. Jeder Kontrakt wird behördlich registriert. Nach Ablauf der festgesetzten Zeit erlangen Sie Ihren früheren Individualstatus zurück.«
    »Und wann ist die nächste Passage?«
    »Sie scheinen es eilig zu haben!« Turner lächelte dünn. »Unser Schiff, die Crusader, wird, so Gott will, in den nächsten Tagen hier eintreffen, Ladung aufnehmen und dann die

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