Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
Vom Netzwerk:
dass er genau dort, am Ziel seiner Reise, Reed finden sollte, seinen Folterer, der dort die ganze Zeit auf ihn gewartet hatte. Es war, als lachten die Götter ihn aus!
    Roscoe war auf See zugrunde gegangen. Doch Reed lebte, und solange er lebte, konnte William nicht zur Ruhe kommen. Am Fuße des Leuchtturms blieb er atemlos stehen und blickte in den blutroten Sonnenuntergang. Beim Gedanken an dieBegegnung, die am Ende dieser Reise stand, befiel ihn lähmendes Entsetzen. Er wusste und hatte es immer gewusst, dass die Konfrontation mit Reed ihn in seinen inneren Abgrund stürzen würde. Wenn er Hand an seinen Folterer legte, musste er sich dem Entsetzen stellen und ein zweites Mal die eigene Vernichtung durchleben. Und überleben! Damals wollte sein geschundener Körper sich nicht ergeben. Was aber, wenn es heute nicht mehr so wäre? Ein gefährlicher Gedanke.
    Er war ein anderer geworden, von seinem Ehrgeiz, seinen Hoffnungen und Illusionen war wenig übrig. Was, wenn er im entscheidenden Moment feststellen würde, dass er nicht die Kraft hatte, seine Rache zu vollenden? Weil es vielleicht nichts mehr gab, wofür es sich lohnte? Weil es zu spät war? Aber wie könnte es zu spät sein! Er war auf dem Weg zu Antonia, also war es auch noch nicht zu spät! Für sie musste er es zu Ende bringen, für ein Leben mit ihr musste er frei werden von der Angst, von dem Hass und der Verachtung, die ihn im Innern zerstörte. Er würde mit Reed abrechnen. Für Antonias Liebe musste er es tun.
    Der Moment der Schwäche war vorüber, er verließ die dunkle Mole. Scharf klang der Dorn seines Stocks auf dem Pflaster. Der schweifende Lichtstrahl des Leuchtturms glitt über die ruhige See, streifte mit zuckend weißem Lichtfinger die Kaimauer und die von Algen bewachsenen Wellenbrecher vor der Außenmole. William ging unter dem suchenden Blendstrahl hindurch und beschleunigte seine Schritte Richtung Hafen. Er wollte rechtzeitig zum Dinner zurück auf dem Schiff sein.
    Die Crusader war ein schwerer Frachtsegler aus der Vorkriegszeit mit einer zahlenstarken Mannschaft, wie es bei Schiffen älterer Bauart notwendig war, wenn es galt, die einfachen, großflächigen Bram- und Marssegel zu reffen. Die Brigg hatte beträchtlich Ladung aufgenommen, vor allem Eisen in Barrenaus den englischen Erzhütten für die Werkzeugschmieden Pennsylvanias. In Madeira kamen Wein in Zwanzig-Galonen-Fässern und Häute aus Spanien für die Lederverarbeitung hinzu. Die Schauerleute mussten einen Teil der Beladung auf Deck verstauen, da der Platz im Schiffsrumpf der Unterbringung menschlicher Fracht vorbehalten war.
    Nun war die Crusader kein Sklavenschiff im üblichen Sinne. Sie transportierte auf ihren Fahrten Indenturknechte aus Europa in die Neue Welt. Diesmal waren es Portugiesen aus Madeira und vom Festland, Kanarier und Spanier, die sich für den Preis einer Überfahrt und die vage Aussicht auf eine kleine Parzelle Ackerland an einen Patrón verkauft hatten, der sie als weiße Arbeitssklaven auf amerikanische Plantagen vermittelte. Im Unterschied zu einem schwarzen Sklaven konnte ein Indenturknecht nach Ablauf der üblichen siebenjährigen Dienstzeit wieder ein freies Leben führen, ohne Benachteiligung oder Diskriminierung, zumal in einem Land ohne die entwürdigenden Feudalstrukturen des alten Europa.
    Die Indenturos auf der Crusader gehörten Señor Duarte Cortés, der streng darauf achtete, dass keiner seiner Dienstverpflichteten bevorzugt wurde, damit während der Überfahrt unter den Leuten Ruhe herrschte. Die Unterbringung an Bord war spartanisch, aber anders als afrikanische Sklaven konnten die Indenturos sich in ihrem Quartier frei bewegen und durften sich zu festgelegten Tageszeiten auch an Deck aufhalten. Sie bekamen Hängematten zum Schlafen und mehrmals täglich Mahlzeiten aus der Kombüse.
    Für zahlende Passagiere gab es vier zweckmäßig eingerichtete Kajüten, die neben der Kapitänskajüte unterm Achterdeck lagen. In London ging William als einziger Passagier an Bord. Untertags blieb er in seiner Kajüte, las oder schrieb an einem Bericht über die Kampagnen in den südlichen Provinzen. In den Abendstunden ging er für ein oder zwei Stunden an Deck und unterhielt sich auf der Brücke mit Jim Greene, dem Rudergastder ersten Wache, dessen lakonischer Lancashire-Witz ihn an seine Heimat an der irischen See erinnerte.
    Am Abend nach der Abfahrt von Madeira lernte er beim Dinner zwei weitere Passagiere kennen. Als man sich zu Tisch setzte,

Weitere Kostenlose Bücher