Die Plantage: Roman (German Edition)
Stampfen, Stampfen, während sie draußen skandierten: »Mar-ti-nez, Mar-ti-nez, Mar-ti-nez!«
Die Tür wurde aufgerissen, der Lärm steigerte sich. Santáneos Buchmacher Joao, ein Portugiese mit tuberkulösen Zügen, rief: »He Martinez, beweg deinen Arsch zur Arena, es geht los. Tempo!«
Schon war Joao wieder draußen. Roscoe sah sich nach Santáneo um. »Santo?«
»Was willst du?«
»Kommst du nicht mit?«
Santáneo setzte sich auf eine Kiste, die einzige Sitzgelegenheit in dem Verschlag. Nein, er wollte das nicht mit ansehen. »Heute nicht, Miguel«, sagte er. »Na geh schon. Sie warten auf dich.«
Es wehte ein stetiger Passat, im Einklang mit den Wellen trug er das Schiff und die Menschen darauf nach Westen, nahm sie mit in eine Welt, die sie »neu« nannten, weil die andere Welt, die sie kannten, für ihre Träume zu alt geworden war. Der Mond stand groß und beinahe vollkommen rund über der weiten Wasserfläche. William öffnete die Heckfenster und schaute vom auskragenden Kastellaufbau hinab, während sich das Schiff mit dem Seegang hob und gemessen zurück in die Wellen tauchte. Im Mondlicht schäumte die Gischt weiß auf der nacheilenden Bugwelle und machte die schnelle Fahrt sichtbar. Über ihm pfiff der Wind in den Segeln, unten rauschten anlaufende Seen gegen den Rumpf. Noch weiter unten, im Frachtraum unter der Wasserlinie, kämpfte Oliver Roscoe einen aussichtslosen Kampf.
»Was halten Sie von einer letzten Partie vorm Zubettgehen, Gentlemen?« William wandte sich abwartend an die Runde. Wie erhofft, erntete er wenig Beifall.
McElrond dämmerte in seinem Sessel dank der sedierenden Medizin des Marranen der Besserung entgegen. Kapitän Robins dagegen rang seinem Geist intellektuelle Höchstleistungen ab. Über ein Mahagoni-Bureau geneigt, das der Steward neben seinen Sessel gerückt hatte, feilte er an wohlklingenden Wendungen für seine Tagebucheinträge.
Nur Cortés, der bei den offenen Heckfenstern eine Zigarre rauchte, lächelte unter schweren Lidern. »Sie neigen nicht zur Muße, Mr. Marshall, das habe ich bereits bemerkt. Trotzdem sollten wir die friedvolle Nacht nicht durch fortgesetztes Glücksspiel entwürdigen.«
»Was ist daran entwürdigend, Señor Cortés, es geht um Kultur«, widersprach William und auf den Stock gestützt, als stünde er auf einem Londoner Boulevard, erzählte er: »Kürzlich habe ich im West End ein neues Stück gesehen. Berufsbedingt kam ich länger nicht ins Theater, der Geschmack der Londoner mag sich inzwischen gewandelt haben, egal, ich wollte ein Stück sehen, das dem Zeitgeist entspricht, und ich bekam dies: Ein schneidiger Kriegsheld ergibt sich nach der Rückkehr in der Heimat dem Müßiggang. Bei Wein, Weib, Würfel und Wetten sind der Sold und das väterliche Erbe bald durchgebracht. Hoch verschuldet begegnet er einer schönen Frau, der vorigen Favoritin des Prinzen, nun Geliebte eines begüterten Höflings. Was gilt es? Er wettet mit dem Höfling, binnen Monatsfrist die Gunst der Dame zu erlangen – und reüssiert! Dank des Wettgewinns ist er aller Geldsorgen ledig. Inzwischen berichten die Zeitungen von dem entehrenden Handel, und als die Dame davon erfährt, verstößt sie ihren erfolgreichen Liebhaber. Darauf entwickelt unser Held erstmals menschliche Qualitäten. Er bemüht sich ein zweites Mal um die Dame und umwirbt sie ein ganzes Jahr, bis sie ihn schließlich seiner Liebewegen erhört. – Eine moralische Romanze über Glücksspiel und Liebe, die das Londoner Publikum im Sturm eroberte. Señor, was sagt man dazu?«
»Bravo!« Cortés applaudierte. »Sie haben ein Talent für Satire, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.«
Kapitän Robins hatte mit tintetropfender Feder Williams Stegreifkritik gelauscht. Ganz entmutigt von so mühelos-leichter Wortspielerei, raffte er seine eigenen biederen Literaturversuche rasch zusammen. Den armen McElrond, der bei Cortés’ Beifallsbekundungen erwacht war, ließ er vom Steward in die Kajüte begleiten. Dann wünschte er den anderen beiden Passagieren weiterhin angenehme Unterhaltung und ließ sie allein.
»Nun, Señor Cortés, was halten Sie von einer letzten, kleinen Partie?«, fragte William noch einmal.
Der Spanier legte die Zigarre beiseite und klappte einen kleinen Spieltisch auf. »Dies hier sollte genügen«, meinte er und zog sich einen Stuhl heran.
Der Lade unter der Tischplatte entnahm er ein Spiel Karten und mischte. William brachte ihre Gläser und eine Flasche Wein, dann schob er
Weitere Kostenlose Bücher