Die Plantage: Roman (German Edition)
könnten die Leute reden, Madam?«
»Verstehen Sie denn nicht? Meine Schwester ist schwanger! Ich bin überzeugt, Mr. Tyler hätte sie in dieser Lage nie im Stich gelassen. Trotzdem hat sie lange gezögert. Sie hat wohl gehofft, dass ein Wunder geschieht!«
Oh ja, das hat sie, dachte William; sie hatte gehofft, er käme zurück, und hätte es wahrscheinlich auf einen Skandal ankommen lassen, wenn Tyler sie nicht überredet hätte, ihn zu heiraten. Zugegeben, Tyler hatte genau das getan, was William im Falle, dass er nicht wiedergekommen wäre, von ihm erwartet hätte. Aber nun war er zurück. Und was tat dieser verdammte Yankee? Verbrachte die Abende mit ihm in Bars und Clubs, doch über Antonia und seine Absichten verlor er kein Wort!
Er sah Lydia abgründig an und sagte: »Der zukünftige Gatte Ihrer Schwester ist bestimmt ein gern gesehener Gast in Lyndon House?«
»Natürlich, er besuchte Antonia jeden Tag. Ich bekam ihn leider selten zu Gesicht, meist kam er spätabends. Sie wissen ja, diese Bankleute haben furchtbar viel zu tun.« Zum Abschieddrückte sie rasch seinen Arm. »Sie müssen mir versprechen, Antonia auf der Plantage zu besuchen. Es gefällt mir nicht, dass sie dort immer alleine ist. Wirklich beruhigt war ich nur, als Sie noch der Verwalter von Legacy waren. Es war eine gute Zeit.«
»Ja, Madam, wenn Sie es sagen.« Er verneigte sich. »Leben Sie wohl.«
Lydia sah ihm nach. Dunkel, hager, auf seinen Stock gestützt, umgab ihn so viel Tragik, dass sie sich rasch das klare Bild Andrew Tylers ins Gedächtnis rief. Gut, dass Antonia ihm ihr Jawort gegeben hatte.
»Weiter!«, befahl sie dem Kutscher. Dann, beim Gedanken an ihr leeres Haus, setzte sie hinzu: »Fahr zu den Raleighs in die King Street. Ich besuche noch meine Cousine.«
William betrat wenig später den Charles Town Sports Club. Ohne den fragenden Blick des Portiers zu erwidern, schritt er pfeilgerade durch die Halle zur Bar. Wahrscheinlich ist es ein Fehler, ging es ihm durch den Kopf. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Tyler, der in Gesellschaft anderer Clubmitglieder auf ihn wartete, musste an seiner finsteren Miene augenblicklich erraten haben, was los war. Er stellte sein Glas beiseite und straffte sich, während William zum harten Klang der Stockspitze näherkam. Er trat so nah auf Tyler zu, dass die Grenzen von Höflichkeit und Respekt überschritten waren.
»Sie verfluchter Heuchler!«
»Nicht hier, Marshall, bitte!«
Die Männer an der Bar hatten ihr Gespräch unterbrochen und sahen abwartend herüber. William, dem an einer öffentlichen Auseinandersetzung nicht gelegen war, nickte kurz.
»Gut. Kommen Sie mit!« Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Club, wie er gekommen war.
Unter den missbilligenden Blicken der anderen Gäste stürzte Tyler den Inhalt seines Glases herunter, ehe er William nach draußen folgte.
Vor dem Tor des Clubs holte er ihn ein. »Ich wollte es Ihnen schon längst sagen …«
»Wie konnten Sie es wagen!«, schnitt ihm William das Wort ab. »Wer hat Ihnen erlaubt, um ihre Hand anzuhalten?«
»Erlaubt? Denken Sie an unser Gespräch vor Ihrer Abreise: Ich hatte Ihnen meine Absichten offen erklärt. Und Sie haben Antonia damals freigegeben.«
»Oh nein, da irren Sie sich! Wieso sollte ich sie Ihnen überlassen?«
»Sie sagten selbst, letztlich treffe immer die Frau die Entscheidung; waren das nicht Ihre Worte? Wie es aussieht, hat sie sich für mich entschieden.«
»So einfach stellen Sie sich das vor, Sie cleverer Yankee?« William lachte verächtlich. »Ich weiß ja, Sie waren verliebt. Und Antonia, einsam und verlassen, ließ sich von Ihnen trösten. Schön und gut. Aber das war auch alles.«
»Oh nein, Marshall, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, es ist viel mehr als das: Antonia hat mir ihr Jawort gegeben, sie will meine Frau werden!«
»Das kann sie nicht, sie ist meine Frau. Sie gehört mir!«
»Wie können Sie so reden nach allem, was Sie getan haben? Sie wussten, dass sie ein Kind erwartete, trotzdem sind Sie fortgegangen, ohne ihr die geringste Hoffnung zu lassen, dass sie Sie je wiedersehen würde.«
»Und nun bin ich zurückgekehrt. Pech für Sie, Tyler!« William lächelte maliziös. »Glauben Sie mir, ich werde dafür sorgen, dass Antonia Sie schnell vergisst.«
Tyler wurde blass. Er hatte mit Wut, mit Vorwürfen gerechnet, aber nicht mit solcher Bosheit. Das ging zu weit, er durfte sich nicht alles gefallen lassen. »Sir, Sie wissen, dass ich von
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