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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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müssen noch was unterschreiben.«
    Charlene ging zurück an die Reisevorbereitungen, während Antonia das Tintenglas aufschraubte, das Schreiben entfaltete und las. Die Kaution, zunächst als Bankcheque hinterlegt, war inzwischen von Ashley & Bolton in voller Höhe ausgezahlt worden. Ausgestellt war der Cheque von einem Londoner Rechtsanwalt namens … Thomas Spencer.
    Williams Bruder Thomas? Wieso in aller Welt kam der Cheque von Thomas Spencer? Sie war davon ausgegangen, dass Tyler das Geld für die Kaution ihrem Erbe entnommen hatte. Sie las weiter, dass der Cheque ausgestellt war über die exorbitante Summe von eintausend Pfund! Nie hatte sie an eineKaution von solcher Höhe gedacht. Sie überflog das Schreiben erneut, es waren tatsächlich eintausend Pfund, und der Cheque war zur Zahlung eingesetzt worden von … Sie starrte auf das Blatt, las halblaut: »Zur Zahlung eingesetzt durch Mr. William Marshall.« Das Schreiben war gestern von William unterzeichnet worden.
    Er war zurück! Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Das Blatt lag vor ihr auf dem Schreibtisch, sie brauchte es nicht noch einmal zu lesen. William war zurückgekommen, er hatte die Dinge wieder in die Hand genommen und als Erstes Joshua für die unglaubliche Summe von eintausend Pfund aus dem Kerker geholt. Wieso hatte ihr niemand gesagt, dass er zurück war? Und warum war er nicht gleich zu ihr nach Lyndon House gekommen? Wegen des Cheques musste er bei Andy in der Bank gewesen sein, Andy hätte ihm doch erzählt … Nein, Andy hatte es ihm verschwiegen. So wie er auch ihr verschwiegen hatte, dass William zurückgekehrt war. Vorgestern kam er spät in der Nacht zu ihr; aufgeregt und befangen zugleich, beteuerte er ihr seine Liebe. An dem Tag musste er William getroffen haben. Natürlich hatte er es ihr nicht gesagt.
    Und William? Wahrscheinlich hatte er Longuinius’ Testament, die Dokumente über ihre Erbschaft und die Anweisungen an die Bank aus London mitgebracht. Sicher war er gekommen, um sein Haus in den High Hills in Besitz zu nehmen. Vielleicht wollte er in Amerika bleiben, für immer auf Serenity Heights leben, mit ihr …
    Andy! Was hatte er William erzählt? Hatte er ihm am Ende gesagt, dass er sie heiraten wollte? Dass sie ihm schon ihr Jawort gegeben hatte? »Nein! Will, glaub ihm kein Wort!«, stieß sie erschrocken hervor. »Ich liebe nur dich, ich habe immer nur dich geliebt. Glaube ihm nicht, Will, bitte, glaube ihm nicht!«
    Was hatte sie getan, oh, was hatte sie bloß getan! Vom inneren Ansturm überwältigt, ballte sie die Fäuste und schlugmit aller Kraft auf den Schreibtisch. Die Holzplatte dröhnte, das Tintenfass kippte um, der Federhalter rollte über die Tischkante. Sie biss sich auf die Lippen, schlug wieder auf die Tischplatte, wieder und wieder. Das Blatt vor ihr bebte bei jedem verzweifelten Schlag, von ihren Tränen zerrannen die akkuraten Zeilen. Doch sie hörte nicht auf, die schmerzenden Knöchel auf das Holz zu schlagen. Sie schlug und schlug, sie konnte nicht aufhören.
    Das Mädchen kam zur Tür und starrte mit großen Augen auf die Frau, die sich die Lippen zerbiss, ihre schönen Hände blutig schlug und dabei unheimlich stumm blieb. Als sie immer weiter mit unverminderter Kraft auf die Schreibtischplatte schlug, rannte das Mädchen hinaus und holte Charlene. Charlene legte ihre starken Arme um Antonia, sie hielt sie schweigend fest, nur Antonias raues Keuchen war zu hören. Später ließ sie es geschehen, dass Charlene ihre aufgeschlagenen Knöchel verband und sie zu Bett brachte. Sie empfand nur den brennenden Schmerz in den Händen. Sie wollte diesen Schmerz. Besser dieser Schmerz als ein anderer.
    Kurz vor sieben. Gleich begannen die Vorstellungen der Theater und Varietés. Auf den Straßen herrschte Betrieb, Leute in Abendgarderobe oder Ausgehuniformen, junge Burschen mit ihren Mädchen. Der Kutscher einer nagelneuen, burgunderroten Kalesche beschimpfte vom Kutschbock herab den Fahrer einer Mietdroschke, der den Verkehr aufhielt. Im Fond des luxuriösen Fahrzeugs lehnte Lydia Bell. Anders als die meisten Passanten zu dieser Tageszeit war sie auf dem Heimweg, nachdem sie am Nachmittag einer Wohltätigkeitsfeier mit ihrer Anwesenheit Glanz verliehen und die geladenen Gäste ermuntert hatte, für die Kriegswaisenkasse zu spenden.
    Sie dachte etwas melancholisch an die Stille, die sie bei ihrer Rückkehr in Lyndon House erwartete, nachdem Antonia zu ihrer Plantage an den Plains River zurückgefahren war.

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