Die Plantage: Roman (German Edition)
Münze und ließ sie verschwinden, schwang die Füße vom Kamingitter und stand auf. Weil ihm Quinns Bestürzung nicht entgangen war, sagte er: »Jetzt beruhig dich wieder, Gabriel. Schau, wir sind zu zweit! Wir werden beide auf Algie achtgeben, dann wird ihm schon nichts geschehen.«
»Ihm? Es geht darum, was anderen durch ihn zustoßen könnte, vielleicht sogar Ihnen!«
»Was sollte Algie mir antun wollen? Sei ganz ruhig, Gabriel. Wenn wir aufpassen, kann nichts passieren!«
»Wenn’s nur so wäre, Lieutenant«, murmelte Quinn düster und erhob sich, um ihn nach draußen zu begleiten.
An der Tür hielt Roscoe ihm die Hand hin. Quinn zögerte, ergriff sie aber dann doch.
»Wir werden ihn beschützen, mein Freund!«, sagte Roscoe, und indem er Quinns Hand einen Augenblick festhielt, schlossen sie das ungeheuerliche Bündnis, Reeds Wahnsinn vor der Welt zu verbergen.
Der Augenblick verging. Quinn entzog ihm seine Hand etwas zu schnell, worauf Roscoes schönes Gesicht einen verächtlichen Zug annahm. Quinn wurde klar, dass er sich dem Kreolen durch die Unterredung ausgeliefert hatte; ein Gedanke, der alles andere als beruhigend war.
Um der Beklommenheit und auch um Roscoes demütigendem Blick zu entkommen, griff er nach dem Nächsten, das ihmin den Sinn kam. »Wer ist eigentlich dieser Marshall, von dem Crossbow heute sprach?«
Es musste die falsche Frage gewesen sein, denn Roscoe lächelte. »Eine Fälschung! Marshall ist ein Inkognito.«
»Also wer ist er?«
»Nein, nein, Quinnie, du kennst seinen richtigen Namen. Rate!«
»Hören Sie auf, Roscoe!«
»Na gut, ich helfe dir: Letzten Sommer, die Continentals schlugen die Legion in den High Hills. Nur einer blieb am Leben. Na?«
Quinn wurde blass. »Der Dragoon? Spencer!«
»Derselbe!«
»Ich dachte, er ist tot!«
»Leider nicht. Dabei hatte Algie sich solche Mühe gegeben. Jetzt kommt er zurück, um sich zu rächen. Ob er sich auch an dich erinnert, Gabriel?«
»Crossbow sagte, er sei in der Stadt, also kann er jeden Tag hier aufkreuzen.«
»Darum werden wir ihn erwarten. Wir müssen Algernon beschützen.«
»Wir sollten es mit dem Captain besprechen …«
»Nein, das ist unsere Aufgabe, deine und meine.«
»In Ordnung, es ist unsere Aufgabe, Lieutenant.«
»Verdammt, Gabriel, hör mit deinem Lieutenant-und-Captain-Scheiß auf ! Das geht einem vielleicht auf die Nerven!«
Bevor Quinn etwas darauf erwidern konnte, schlüpfte Zadia durch den Türspalt herein.
»Oh, er ist da«, erschrak sie. »Das wusste ich nicht, Gab.«
»Die kleine Zadia!«, sagte Roscoe in provokantem Singsang. »Dich habe ich heute noch gar nicht gesehen.«
»N-nein, Mass’a Roscoe …«
»Lassen Sie sie in Ruhe, Roscoe.«
»Was hat er denn, Zadia? Ich darf dich doch ansehen, oder?«
Unter Roscoes laszivem Blick sah sie verlegen zu Boden.
»Ich sagte, lassen Sie sie in Ruhe!«, fuhr Quinn ihn an. »Sie kann sich gegen Ihre Gemeinheiten nicht wehren.«
»War ich gemein zu dir, Mädchen?«
»Nein, nein, Mass’a.«
»Na siehst du, Gabriel.«
»Wagen Sie es nicht!«
»Was denn? Ich würde der kleinen Zadia nie etwas antun. Ich will nur ein bisschen nett zu ihr sein.«
Quinn trat zwischen ihn und das Mädchen. »Genug, Roscoe. Raus!«
Still lagen die Gärten. Stille herrschte im Haus und gab der Leere einen Sinn. Leere und Stille und die reinen Strukturen der Architektur ließen Reeds wunden Geist zur Ruhe kommen. Nichts band den Blick in der Leere oder lenkte ihn ab. In der Stille lauschte er seinen Stimmen. Sie waren immer bei ihm und sagten ihm, wer er war und was er tun musste. Wer hätte es ihm sonst sagen können?
Die Nacht war sein Tag. Von der Galerie blickte er in den mondhellen Lichthof der Halle, so konnte er stundenlang reglos verharren und der Stille lauschen. Das Haus schlief, selbst Castor war zu Bett gegangen. Nun bewachte er allein die Nacht.
Roscoe und Quinn hatten sich am Abend in die Loge zurückgezogen. Als er hinging, hörte er sie miteinander reden. Besser, sie redeten, als dass sie einander belauerten. Er brauchte sie als seine Leibwächter, doch er wäre lieber allein gewesen. Oliver, sein lieber Oliver, wurde auf die Dauer anstrengend. Er wollte so viel Aufmerksamkeit, war launisch, unverschämt und auf eine enervierende Art ignorant. Konnte ihm das genügen? Er wollte nicht ungerecht sein, Oliver war auf sein Bitten hin zu ihm zurückgekehrt. Aber die Situation war schwierig, denn er hatte Gabriel Quinn an seine Seite gerufen, den
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