Die Plantage: Roman (German Edition)
Glück, darum bist du noch am Leben!«, sagte William schroff. »Reed war geistesgestört, ein gefährlicher Irrer. Du wärst nicht sein erstes Opfer gewesen.«
»Woher weißt du das?«
»Spielt das noch eine Rolle? Als ich ihn fand, war er tot. Ich bin zu spät gekommen.« Er sah Roscoe an, nickte. »Es ist besser so.«
Dann, wie auf ein Zeichen, standen beide auf, nahmen ihre Hüte, gingen zur Tür. Dort zögerte William. Antonia spürte, dass er es ihr überlassen wollte, den nächsten Schritt zu tun. Rasch raffte sie ihre Röcke und ging voraus durch die Halle. Als sie aus dem Eingang traten, wartete Noah schon mit den Pferden. Er hatte seine liebe Not mit Lone Star. Antonia hatte Reeds verrücktes Pferd sofort erkannt, das ungebärdige Tier riss am Zügel und schlug den Boden mit den Hufen.
»Sir, ich kann diesen Teufel nicht bändigen!«, rief Noah entnervt.
Auf Williams Wink verabschiedete Roscoe sich von Antonia. »War schön, Sie wiederzusehen, Ma’m.« Er verneigte sich, dann drückte er den Hut fest in die Stirn, lief die Stufen hinab, nahm von Noah die Zügel und sprang in den Sattel. Lone Star schüttelte die flammende Mähne, doch seine Auflehnung war vorüber. Aus Gründen der Disziplin ließ Roscoe ihn in schönen Volten um das Auffahrtsrondell traben.
Antonia stand mit William unter dem Portikus, es war ihr zweiter Abschied an dieser Stelle. Es tat nicht sehr weh, und weil sie nicht mehr versuchen musste, mit ihm glücklich zu werden, konnte sie ihn weiter lieben. Es machte sie nur traurig, dass er nie versucht hatte, dem Leben einfach nachzugeben. Er würde nicht aufhören, zu kämpfen und sich immer wieder aufs Neue zu beweisen. Es war seine Art zu leben, während sie ihr Glück anderweit finden würde; endlich war ihr das klar geworden.
Sie erwiderte den Blick seiner hellen grauen Augen und lächelte. »Siehst du, ich stelle dir keine Fragen, Will.«
Überraschend behutsam nahm er sie in den Arm, als er sie zum Abschied küsste.
Joshua kam zum Haus, ohne Eile stieg er die Stufen des Portikus herauf und blickte zusammen mit Antonia den Reitern nach. William war auf seinem eleganten Hunter weit voraus, während Roscoe mit Lone Star in gehörigem Abstand folgte. Joshua nahm den Grashalm, auf dem er kaute, aus dem Mund.
»Wo reitet er hin?«
»Nach Serenity Heights. Es erwartet ihn dort viel Arbeit. Onkel Julien ließ das Gut über den Krieg nicht bewirtschaften, das Land ist verwildert, die weitläufigen Gärten müssen in Form gebracht werden. Er wird eine Weile beschäftigt sein.«
»Und Roscoe?«
»Den nimmt er mit.«
»Warum tut er sich das an?«
»Ich glaube, Joshua, William tut sich das an, weil er an etwas erinnert werden will. Bei den Triumphzügen im alten Rom, weißt du, folgte dem Feldherrn ein Mann, der über ihn den Lorbeerkranz hielt und ihm doch ständig ins Gedächtnis rief, dass er sterblich sei. Aus demselben Grund, denke ich, hat William sich entschlossen, Oliver Roscoe mitzunehmen.«
50.
Am Nachmittag begann der Himmel zu leuchten. Vereinzelte Wolken zogen vorüber und fingen sich ihren Anteil am goldenen Licht. Die Natur war wieder in Bewegung gekommen, mit jähen Windböen kündigten sich die Herbststürme an. Es war Antonias liebste Jahreszeit, morgen war ihr Geburtstag.
Sie ging zu den Stallungen. Grace hatte sich ein Sprunggelenk verstaucht. Seit das temperamentvolle Pferd nicht mehr regelmäßig geritten wurde, tobte es sich auf der Koppel zu ungestüm aus. Antonia wollte mit Joshua einen Trainingsplan erstellen, damit es dem kleinen Araberpferd nicht gar zu langweilig wurde. Auf der Hälfte des Weges blieb sie plötzlich stehen und fasste ihren gewölbten Bauch, atmete mit offenem Mund tief ein und aus, bis die Wehe verebbte. Als sie weitergehen wollte, überfiel sie eine zweite, stärkere Wehe. Sie ließ sich vorsichtig auf die Knie nieder, stützte sich mit einer Hand am Boden ab, mit der anderen betastete sie ihren harten Bauch. Die Kontraktion war stark. Sie wusste, sie musste jetzt atmen, immer ruhig weiteratmen.
Charlene und Enjada Lytton hatten ihr noch einen knappen Monat gegeben. Aber letzte Nacht hatte sich etwas verändert,sie hatte es gleich gespürt. Sie hatte Williams Verlangen nicht widerstehen können, und dann war er nicht gerade zurückhaltend gewesen. Zu viel Liebe sei nicht gut für das Baby, pflegte Enjada zu sagen, die sechs gesunde Kinder zur Welt gebracht hatte. Offenbar war Williams ungehemmte Leidenschaft nicht ohne Folgen
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