Die Plantage: Roman (German Edition)
Er öffnete die zwei obersten Knöpfe seiner goldbetressten Uniformjacke und zog ein versiegeltes Schreiben hervor, das er vor Cornwallis auf das weiße Tischtuch legte.
»Danke, Colonel.« Cornwallis brach das Siegel, entfaltete das Schreiben, sagte im Aufstehen: »Bitte behalten Sie Platz, Gentlemen«, und ging zur Fensterfront des Raumes, um sich in die Lektüre des Berichts zu vertiefen.
Henry überlegte, ob Konversation angebracht war. Doch die Frage erübrigte sich, als er Spencers Blick begegnete, der ihn über den Tisch hinweg unbewegt und völlig ausdruckslos ansah. Henry wusste nur zu gut, wer ihm da gegenübersaß. Spencer war ein gefürchteter Kommandeur. Wo immer er mit seinen Reitertruppen auftauchte, behauptete er das Feld. Während der Kampagnen in den nördlichen Provinzen musste General Washington wuterfüllt mitansehen, wie Spencer mit seinen Dragoons die amerikanischen Truppen zersprengte und selbst fliehende Soldaten erbarmungslos niedermachen ließ. Seit der Eroberung Charles Towns hielt Spencer den Widerstand der Milizen durch eine Taktik rigoroser Anschläge in Schach. Er war ein glänzender Soldat, der seine militärischen Ziele skrupellos verfolgte.
Sein arrogantes Schweigen empfand Henry wie einen Vorwurf. Er hätte gerne bei der Ordonnanz ein Glas Brandy geordert, aber Spencers konstanter Blick hielt ihn davon ab.
Endlich kam Cornwallis wieder an den Tisch. »Mr. Lorimer, zurück zu Ihrem Wunsch, für England in den Krieg zu ziehen. Offen gestanden, haben wir schon mehr als genug Gentlemen-Farmer wie Sie in unseren Reihen, meist überwiegt ihr loyalistischer Dünkel bei Weitem ihre militärische Einsatzbereitschaft. Bei ihren Gefolgsleuten beobachten wir das genaue Gegenteil: Die Gefechte von Loyalistenverbänden eskalieren sehr viel häufiger, als es bei Regulars der Fall ist. Das könnte am Ende zu mehr Erbitterung führen, als unserer Sache dienlich ist.«
Cornwallis Seitenblick zu seinem Colonel war Henry nicht entgangen. Er musste auf der Hut sein, offensichtlich verachtete Spencer königstreue Amerikaner. Ein Wort von ihm konnte Hocksleys Plan zunichtemachen. Also verwarf Henry sein einstudiertes royalistisches Bekenntnis und begann zu improvisieren: »Um die Wahrheit zu sagen, General: Ich bin gar kein Loyalist.« Cornwallis Miene verfinsterte sich augenblicklich, weshalb Henry rasch fortfuhr: »Ich bin nicht einmal mehrPflanzer, meine Plantage am Plains River ist heruntergewirtschaftet, mein letztes Geld habe ich am Spieltisch verloren. Ich bin ruiniert, erledigt. Einem Mann in meiner Lage bleibt nur die Armee.«
»Und deshalb kommen Sie zu uns?«
»Meine rebellischen Landsleute liegen mir nicht besonders am Herzen.«
»Das ist in meinen Augen keine Empfehlung!«
»Wirklich nicht, Sir? Bedenken Sie, diese Aufständischen, aus denen sich die Milizen rekrutieren, sind meine Nachbarn, Farmer und ihre Söhne, sie betrachten mich als einen der ihren. Ich erfahre, wann und wo sie sich versammeln und was sie vorhaben. Ich weiß, wer die Milizen befehligt, und auch, wer sie finanziert. Da bieten sich doch verschiedene Möglichkeiten, wie ich Ihnen dienen könnte. Ich müsste ja nicht gleich Schulen und Kirchen niederbrennen.«
»Was sind Sie, Lorimer? Ein Spion oder nur ein erbärmlicher Verräter?«
»Jemand, der nichts mehr zu verlieren hat. Sehen Sie, General, fürs Erste habe ich meine eigene Eskorte mitgebracht. Andere kampfbereite Männer werden sich mir anschließen, sobald Sie mir ein Kommando geben. Bezahlen Sie meinen Leuten den üblichen Sold, und wir ziehen morgen mit Ihnen ins Feld!«
»Und wenn Sie kein Kommando bekommen?«, fragte Spencer.
Der Mann ließ ihn nicht aus den Augen! Henry hielt seinem kalten Blick stand und entgegnete: »Dann werde ich mich den Milizen anschließen. Seien Sie sicher, von denen bekäme ich mein Kommando, Söldner wie ich sind dort so willkommen wie echte Patrioten. Wir würden Ihre Patrouillen aus dem Hinterhalt angreifen und Ihren Nachschub überfallen. In kurzer Zeit würde ich Sie zur Verzweiflung treiben, denn ich kenne das Land besser als Ihre Späher. Glauben Sie mir, es macht für mich keinen Unterschied, für oder gegen wen ich kämpfe.«
In die Stille, die seinen Worten folgte, begann Spencer lässig zu applaudieren. »Alle Achtung, Lorimer, Sie reden wie ein Anarchist!«, und an Cornwallis gewandt: »Höchst ungewöhnlich für einen Amerikaner, finden Sie nicht, My Lord?«
»Ich muss doch sehr bitten, Colonel!«
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