Die Plantage: Roman (German Edition)
Cornwallis erhob sich und ging ein paar Schritte durch den Saal, dann winkte er Spencer zu sich. »Ich billige die Haltung dieses Mannes nicht!«, sagte er leise.
»Nein, My Lord«, erwiderte Spencer. »Doch er kann uns von Nutzen sein. Wie es scheint, macht sich Mr. Lorimer keine Sorgen um sein Seelenheil. Ich will damit sagen, er könnte die Art von Kommandos übernehmen, die sich für einen Berufssoldaten aus Gründen der Ehre verbieten.«
»Ich weiß nicht, von was für Kommandos Sie reden, Colonel.«
»Natürlich nicht, Sir.« Spencer lächelte kalt. »Doch wird ein Krieg leider nicht nur durch Heldentaten gewonnen, nicht wahr? Wenn Sie meine Meinung wissen wollen: Geben Sie ihm einen Rang und übernehmen Sie ihn mit seinen Leuten, sagen wir, für besondere Aufgaben.«
»Also gut«, meinte Cornwallis nach kurzem Überlegen und wandte sich an Henry: »Ich werde Sie Colonel Rutherford unterstellen, Sie werden im Rang eines Majors in den Dienst Seiner Majestät übernommen. Mein Adjutant wird Ihre Beglaubigung ausstellen und alles Weitere mit Ihnen besprechen.« Als Henry ihm dankte, fügte Cornwallis hinzu: »Und bitte, Major Lorimer, behalten Sie im Offizierscasino Ihre unorthodoxen Ansichten für sich.«
Henry wollte gleich zur Garnisonsverwaltung gehen und die Formalitäten erledigen. Auf halbem Wege hatte Spencer ihn eingeholt.
»Ich denke, Sie erklären mir jetzt, warum Sie wirklich hier sind.«
»Colonel?«
»Sie sind kein Desperado, Lorimer, dazu fehlt es Ihnen an Courage. Also was wollen Sie?«
»Ich gebe zu, Colonel, ich bin General Cornwallis gegenüber etwas zu weit gegangen. Im Grunde bin ich nur ein Bankrotteur …«
»Der für den Sold eines Majors zum Verräter wird?«
»Ich habe keine Wahl! Ich will nicht Haus und Hof verlieren.«
»Hehre Gründe, bei Gott!«, entgegnete Spencer und wandte sich zum Gehen.
»Was wissen Sie von meinen Gründen!«, stieß Henry bitter hervor. »Ich täte alles, um die Plantage zu retten.«
»Ja richtig.« Spencer kam noch einmal zurück. »Die Plantage am Plains River. Wie heißt sie doch gleich?«
Henry wurde blass. »Legacy.«
»Legacy!«, wiederholte Spencer.
Colonel Rutherford betraute Henry aufgrund seiner Ortskenntnisse mit der Sicherung des Nachschubs. Abseits vom eigentlichen Kampfgeschehen begleitete Henrys Einheit den Tross. Gelegentlich wurde er mit seinen Männern ausgesandt, um Dörfer oder einzelne Gehöfte zu zerstören, von denen man annahm, sie würden die Milizen unterstützen. Wenn sie die Bewohner antrafen, sorgte Henry dafür, dass ihnen zumindest kein körperliches Leid geschah. Voller Erbitterung ließ er ihre Felder und Gärten verwüsten, das Vieh töten und Scheunen und Häuser niederbrennen, wohl wissend, dass er Dinge tat, für die britische Befehlshaber sich zu schade waren.
Spencer kämpfte währenddessen an vorderster Front. Henry hörte wohl von den militärischen Erfolgen der Dragoons, hatte aber keine rechte Vorstellung vom Kampfverhalten berittener Einheiten. Beim Angriff auf Camden war er dann dabei und lernte den Unterschied kennen: In dem Moment, da die Reitereien ins Kampfgeschehen eingriffen, verwandelte sichdas Gefecht in ein Blutbad. Spencers Dragoons fielen über die gegnerischen Stellungen her und hieben mit ihren langen Säbeln die Infanteristen buchstäblich in Stücke. Henry war so entsetzt, er hätte fast die Flucht ergriffen.
In Silk Hope begegneten ihm die englischen Offiziere mit Geringschätzung, Spencer übersah ihn einfach. Auch von den Loyalisten im Offiziersclub wurde er gemieden; ein ehrgeizloser Überläufer war ihnen verdächtig. Das alles war Henry gleichgültig, es ging ihm weder um Anerkennung noch um militärische Verdienste. Er hielt sich strikt an die Vereinbarung, die er mit Hocksley getroffen hatte. Sein Augenmerk galt den schwarzen Sklaven, die sich in das englische Feldlager und in die Forts der Umgebung geflüchtet hatten.
Um so viele flüchtige Schwarze wie möglich in die Sklaverei zurückzubringen, entwickelten Henry und seine Männer eine erschreckende Routine. Dabei arbeitete ihnen die militärische Hierarchie in die Hand, denn die Wachtposten an den Palisaden ließen einen Major mit Eskorte selbst zu nächtlicher Stunde ungehindert passieren. Dann verteilten sich die Männer unauffällig auf dem Gelände des Forts und schlossen allmählich einen Ring um die Unterkünfte der Schwarzen. Auf Henrys Kommando schlugen sie zu. Sie überraschten die Leute im Schlaf, zerrten sie
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