Die Plantage: Roman (German Edition)
sein.«
»Wohlan, ich wünsche Sie niemandem zum Gegner!«, sagte Tyler und hob sein Glas. William machte gute Miene, und die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu. Am Ende des Dinners unterzeichneten Antonia und Tyler die Kreditvereinbarung, Shaughnessey setzte seine schriftliche Bürgschaftserklärung darunter.
Antonia bemerkte, dass William sehr zufrieden aussah.
Vom Treppenabsatz vor seiner Dachkammer blickte Joshua zum hell erleuchteten Herrenhaus. Bald wäre das Dinner zu Ende und die Gäste würden nach Hause fahren. Es hatte sich einiges getan, seit der Engländer die Plantage verwaltete. Widerwillig bewunderte Joshua die Entschlossenheit, mit der Spencer seine Pläne auf Legacy in die Tat umsetzte. Trotzdem lag es ihm schwer auf der Seele, dass Antonia dem Mann, der ihr ganzes Unglück verschuldet hatte, Haus und Hof anvertraute. Sollte er ihr die Wahrheit sagen oder weiterhin schweigen? Inzwischen war sie Spencer in einer Weise zugetan, dass Joshuabeinahe wünschte, sie würde nie erfahren, wer dieser Mann in Wirklichkeit war … Und damit nicht genug, jetzt kam noch der Vorfall im Planters Club dazu. Joshua erinnerte sich nur zu gut an Hocksleys Versuche, sich Legacys zu bemächtigen. Er musste auf eine Gelegenheit wie diese gewartet haben! Doch außer Joshua schienen alle blind für die drohende Gefahr. Er ging in seine Kammer, nahm das Gewehr vom Schrank und lud es. Er steckte noch zusätzliche Munition ein, bevor er wieder hinausging. Wie in den Nächten zuvor würde er wachen, denn irgendwann würden sie kommen.
Die Gäste hatten sich verabschiedet. Shaughnesseys Wagen fuhr hinter der großen Kutsche von Ashley & Bolton durch die Allee davon. William ging zum Kutscherhaus zurück.
Auf der Veranda drehte er sich um, er hatte Schritte gehört. »Was gibt es, Mr. Robert?«
»Ich mache meine Runde, Sir.«
»Mit dem Gewehr?«
»Für alle Fälle. Gute Nacht, Sir.«
»Gute Nacht, Mr. Robert.«
William ging in sein Schlafzimmer, reichte hinauf zum Baldachin über dem Bett und nahm aus dem Hohlraum des Betthimmels die beiden Pistolen mit der Munition. Sorgfältig überprüfte er die Ladung der Waffen. Sie waren als Paar für ihn angefertigt worden, wertvolle Duellpistolen mit silbernen Applikationen. Technisch verbessert durch den gezogenen Lauf, wurde die Treffgenauigkeit des Projektils, einer großen Kugel, Kaliber .45, deutlich erhöht. Entscheidend für die Zielgenauigkeit aber war eine im Mechanismus der Waffen verborgene Vorrichtung, ein sogenannter Stecher. Normalerweise brauchte man zum Abfeuern einer Pistole dieses Kalibers einen starken Zug. Der Stecher reduzierte den Zug auf weniger als ein Zehntel, was ein leichtes, ruhiges Auslösen eines Schusses ermöglichte und Abweichungen vom Ziel verminderte. Er richtetedie Pistolen abwechselnd auf die Tür und den Spiegel über dem Waschtisch, stellte jeweils den Stecher ein und sicherte die Waffen. Dann zog er den schwarzen Staubmantel über seine Abendgarderobe, tat die Pistolen in die Außentaschen und ging hinaus.
Antonia hatte in der Bibliothek nach einem Buch gesucht, dem ersten Teil einer zweibändigen Ausgabe des »Orlando Furioso« von Ariost. Vergeblich hatte sie in mehreren Büchertruhen nachgesehen. »Was für ein Chaos!«, seufzte sie und nahm sich fest vor, ihre Bibliothek anderntags zu ordnen.
Sie ging nach draußen, um die Laterne vom Treppenaufgang hereinzuholen, als sie jemanden aufs Haus zukommen hörte. Es war Williams unverwechselbarer Schritt. »Was tun Sie hier?«
»Nachsehen, ob alles in Ordnung ist, Madam.« Er trat aus der Dunkelheit des Vorplatzes. »Nur zu Ihrem persönlichen Schutz!«
»Wollen Sie sich über mich lustig machen?« Sie nahm die eine Laterne vom Eingang, löschte die Kerze, stellte sie zurück und nahm die zweite Laterne.
Er stieg die Treppe herauf und lehnte sich an eine Säule des Portikus. Unschlüssig stellte Antonia die Laterne wieder auf den Boden.
»Es ist spät, Mr. Marshall!«
»Nun ja, vielleicht sollten wir hineingehen.«
»Ich werde Sie sicher nicht hereinbitten!«
»Wirklich nicht?« Er legte seinen Stock auf die Balustrade, stieß sich lässig von der Säule ab und kam auf sie zu. »Frieren Sie denn nicht in Ihrem bezaubernden Kleid?«
Sie wunderte sich, weshalb sie es ihm so leicht machte. Schon fasste er sie bei den Schultern und zog sie etwas unsanft an sich. Gegen ihren schwachen Widerstand nahm er sie in die Arme, hielt sie nah und fest an seinem Körper, bog ihren Kopf
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