Die Plantage: Roman (German Edition)
nicht in ihrem Haus geduldet. Sie erkennt sofort, wenn jemand verflucht ist.«
»Es stimmt, ein böser Zauber liegt auf ihm!«, flüsterte Benny. »Sehen Sie nur hin, er hat keinen Schatten!«
Antonia hatte sich bereits mit Joshua über Néné unterhalten. Offenbar gab der Junge sich große Mühe, aber er konnte nicht gut mit Pferden umgehen. Joshua erzählte, die Tiere würden unruhig in seiner Gegenwart und schlügen mitunter sogar nach ihm aus. Antonia war aufgefallen, dass Néné stets erschöpft aussah. Er tat ihr leid.
Um ihm den ständigen Argwohn der anderen zu ersparen, nahm sie ihn wieder mit zurück. »Du wohnst bei uns im großen Haus«, sagte sie freundlich. »Und mach dir keine Sorgen, Néné, ich gebe nichts auf das Gerede über Zauberei und anderen Hokuspokus.«
Sie nickte ihm aufmunternd zu. Doch Néné reagierte nicht, er ging neben ihr her wie in Trance. Sie ertappte sich dabei, wie sie hinabsah zu seinen Füßen. Doch unter dem blassen Novemberhimmel gab es keine Schatten.
Ein wenig verfroren kam Antonia in die Küche, um sich aufzuwärmen. Charlene musterte sie mit kritischem Blick.
»Sie sollten sich vielleicht ein bisschen hübsch machen, wenn Sie nachher mit den Herren essen wollen.«
»Haben wir Besuch?«
»Mr. Shaughnessey ist da, dann noch ein Mr. Tiger …«
»Tyler!«
»Genau. Und noch ein Mann von der Bank. Sie warten im Speisezimmer mit Mr. Marshall.«
»Himmel, die Bankleute!«
William hatte das Treffen mit ihren Finanziers vereinbart. Wie ärgerlich, dass sie diese wichtige Verabredung vergessen hatte! Rasch ging sie sich für das Dinner umkleiden, in der Eile verzichtete sie auf Schmuck und Rouge.
Etwas blass, in einem dekolletierten Abendkleid betrat sie das Speisezimmer. Die vier Männer standen am Kamin und unterhieltensich. Als Antonia eintrat, verstummten die Gespräche. Sie begrüßte zuerst Frank Shaughnessey, dann Tyler, der sich formell verbeugte, und seinen Mitarbeiter Croydon.
William hatte sie seit der Rückkehr vom Planters Club nicht mehr gesehen. Er verneigte sich leicht, stellte sich an ihre Seite, und beinahe übergangslos setzte er die Unterhaltung mit Tyler fort. Er hatte es ganz bewusst unterlassen, sie förmlich zu begrüßen, als bestünde zwischen Ihnen eine besondere Vertraulichkeit.
Im Verlauf des Tischgesprächs stellte Tyler detaillierte Fragen über den Zustand der Plantage, zum voraussichtlichen Termin für die Wiederaufnahme des Betriebs, zu den erwarteten Erträgen. William gab ihm die Auskünfte, die für die Kreditierung wichtig waren, dann stellte er seinen Plan für die Wiederbewirtschaftung Legacys vor. Seine Ausführungen überzeugten Tyler und Shaughnessey, sie schienen sehr zufrieden. Tyler bestätigte Antonia, damit seien aus seiner Sicht die nötigen Voraussetzungen für einen weiteren Kredit erfüllt. Shaughnessey besiegelte seine Zusage, für die Darlehenssumme zu bürgen, per Handschlag. Dann tranken sie auf den Geschäftsabschluss und auf die Zukunft Legacys.
»Zur Erntesaison können Sie sich immer noch um die Börsenzulassung bemühen, Antonia«, meinte Shaughnessey. »Bis dahin werden sich die Gemüter wieder beruhigt haben.« Er wandte sich an William: »Es war beeindruckend, Sir, wie Sie Crossbow zu Boden geschickt haben. Doch ich rate Ihnen, vorsichtiger zu sein. Vermeiden Sie eine offene Konfrontation mit den Wortführern des Planters Club.«
»Es soll ja tatsächlich Blut geflossen sein!«, bemerkte Tyler mokant. »Es heißt, der Chairman Mr. Hocksley nehme die Sache persönlich.«
»Das habe ich nicht anders erwartet«, gab William zurück. »Unter Gentlemen werden Herausforderungen gewöhnlich angenommen.«
»Gehen Sie nicht davon aus, dass Hocksley eine Auseinandersetzung mit Ihnen auf ehrenhafte Art beilegen wird«, sagte Shaughnessey.
»Wie meinen Sie das, Frank?«, fragte Antonia besorgt.
William sagte ruhig: »Madam, Sie haben nichts zu befürchten. Hocksley würde sich wohl an mich halten.«
»Und wie wollen Sie dem begegnen?«, wollte Tyler wissen.
William lächelte gelassen. »Wahrscheinlich werde ich mir ein Paar guter Pistolen zulegen und schon einmal anfangen, in meinen Mußestunden Zielübungen zu machen.«
»Aber bitte, Sir!«, meldete sich Croydon nervös zu Wort. »Sie gedenken doch nicht, jemanden mit einer Schusswaffe zu bedrohen?«
»Nein, Sir. Wenn es sein muss, werde ich es nicht beim Drohen belassen. Man soll seiner Linie treu bleiben; die meine dürfte inzwischen bekannt
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