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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Handflächen gegen die Stirn und kneift die Augen zu. Weiß er es nicht oder versucht er, das Wissen, das er besitzt, zu verleugnen?
    »Ein verschrumpelter alter Geselle, den ich auf dem Markt in St. James getroffen habe, erzählte mir diese Geschichte«, fährt Vater fort. »Er kannte sich mit orientalischen Pflanzen aus und behauptete, ein Überlebender von einer der Expedition zu sein, die Captain Cook geleitet hatte. Ich vermute, er hat gelogen, was das betrifft, aber die Pflanzen, die er feilbot, waren ziemlich selten. Und die Preise, die er verlangte, waren exorbitant, das muss ich schon sagen.«
    Vater schlendert durch den Garten, während er spricht. Er scheint sich hier sehr wohl zu fühlen. Seine Haltung ist gelassen und entspannt, entspannter als ich ihn je zuvor erlebt habe. »Das hier ist Fingerhut. Und dort der giftige Schierling. Ein schmerzloser Tod, aber ein besonders grausamer, findest du nicht auch?«
    »Es beginnt an den Füßen«, sagt Weed tonlos.
    Vater nickt. »Der Tod beginnt an den Füßen und wandert nach oben, bis er dein Herz erreicht und es aufhört zu schlagen. Und während der ganzen Zeit weißt du genau, was passiert. Man sagt, dass es beim armen Sokrates zwölf Stunden gebraucht hat, ehe er tot war. Ah, das hier ist eines meiner Lieblinge: Wermut, die Zutat, die Absinth seine berauschende Wirkung verleiht.« Vater winkt mich näher zu sich. »Und schau dir die weiße Zaunrübe gut an, Jessamine. Sie wird nur allzu leicht mit der Pastinake verwechselt. Das wäre die letzte Suppe, die wir genießen würden.«
    Wir folgen Vater von Pflanze zu Pflanze. »Bittersüß«, bemerkt er, »Aaronstab und Alraune. Und dieses kraftvolle Gewächs nennt man Oleander …«
    Plötzlich packt Weed seinen Kopf mit beiden Händen, als ob er von maßlosen Schmerzen geplagt werden würde. »Nein!«, schreit er. »Mit diesen Pflanzen heilt man keine Krankheiten. Sie sind giftig. Alle … sind sie … tödlich!«
    Etwas verkrampft sich in meinem Innern. Ist das wahr? Ich wusste, dass die Pflanzen gefährlich sind, wenn man sie nicht mit der gebührenden Sorgfalt und Kenntnis behandelt. Vater hat mir das immer wieder eingeschärft. Aber ist Vaters private, streng gehütete Sammlung von Pflanzen wirklich nicht mehr als ein Giftgarten? Eine verschlossene Waffenkammer tödlicher, lebendiger Mordinstrumente? Aus welchem Grund sollte er – oder irgendjemand sonst – einen solch unheilvollen Ort erschaffen?
    »Du musst doch wissen, dass es nicht so einfach ist, Weed«, sagt Vater mit weicher Stimme. »Die Pflanze, die töten kann, kann auch heilen, wenn man sie nur richtig anzuwenden weiß. Das ist der Grund, warum es so wichtig ist – so unsagbar wichtig –, dass du mir sagst, was du weißt.«
    Weed schüttelt heftig den Kopf, als ob er eine tief verwurzelte Pein abschütteln wollte.
    »Ist alles in Ordnung?«, rufe ich ängstlich, aber als ich den Arm nach ihm ausstrecke, verliere ich das Gleichgewicht und stolpere in das nächste Beet. Mein Arm streift eine Nessel. Es fühlt sich an, als ob tausend Nadeln in mein Fleisch gestoßen werden würden. Innerhalb von Sekunden zeigen sich streifenförmige, scharlachrote Schwellungen auf meinem Arm.
    Vater dreht sich nicht einmal um. »Bitte sei vorsichtig, Jessamine«, sagt er gleichmütig und geht weiter. »Für einige dieser Pflanzen habe ich ein kleines Vermögen ausgegeben.«
    Ich halte meinen schmerzenden Arm. Das Brennen auf meiner Haut treibt mir die Tränen in die Augen. Die knallroten Streifen werden immer dicker und breiten sich mit beängstigender Geschwindigkeit aus. »Ein Ampferblatt wird das Brennen sicher lindern«, sage ich zu Weed mit erzwungener Ruhe, obwohl mir plötzlich schwindelig wird. »Vielleicht finden wir eins auf dem Heimweg.«
    »Ein Ampferblatt könnte helfen, wenn dies eine gewöhnliche Nessel wäre.« Weed schließt die Augen und wandert taumelnd in einer Zickzacklinie herum, bis er vor einer kleinen Pflanze am südlichen Ende des Gartens stehen bleibt. Ich stolpere ihm nach.
    »Weed«, flüstere ich rau. »Bitte fass nichts an. Vater wird toben …«
    Ohne auf meinen Einwand zu achten, bückt er sich und pflückt ein Blatt von einer niedrig wachsenden, unscheinbar aussehenden Pflanze, richtet sich wieder auf und reibt damit über meine Haut. Der Schmerz versiegt fast sofort, und das scharfe Stechen verwandelt sich in ein leichtes Ziehen.
    Vater ist vorausgegangen. Jetzt wendet er sich um. »Kommt weiter, ihr zwei. Was hält

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