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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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euch auf?« Ein Blick von Weed genügt, damit ich begreife. Ich sage kein Wort. Ich schlage mir den Schal um den Arm, um die Schwellung zu bedecken, die bereits wieder zurückgeht.
    Vater ruft noch einmal: »Beeilt euch, Jessamine. Ich möchte euch etwas zeigen.«
    Ich schaue hinter mich. Weeds Lippen sind blass und bewegen sich schnell, als ob er ein verzweifeltes Gebet sprechen würde.
Vater darf ihn nicht sehen, nicht, wenn er sich so merkwürdig benimmt
, denke ich.
    Wieder winkt uns Vater. Gehorsam gehe ich zu ihm. Lächelnd tritt er beiseite.
    »Schau her – alte Freunde von dir.«
    Vor mir sprießen die Belladonna-Triebe. Jeder ist jetzt schon fast dreißig Zentimeter groß. Die Pflänzchen sind zart und schlank und schaukeln einmütig in der Brise – wie Tänzerinnen.
    Ihr Anblick lässt mich alles andere vergessen – das schwächer werdende Pochen in meinem Arm, Weeds bizarres Verhalten, Vaters merkwürdige, kalte Gleichmut …
    »Meine Belladonna-Samen!«, rufe ich aus. »Schau mal, wie herrlich sie wachsen! Weed, komm her und schau dir das an.«
    Ich knie mich hin, um die jungen Triebe besser betrachten zu können. Es ist wahrhaftig ein Wunder, dass sich ein winziges Samenkörnchen so schnell in ein saftig grünes Gewächs verwandeln kann.
    »Ist das nicht ganz erstaunlich?«, sage ich zu Weed, der jetzt neben mir steht. Sein Gesicht ist grau und er wirkt abwesend. Meine Stimme muss fröhlich klingen und ich muss meinen Arm unter dem Schal verborgen halten, damit Vater keinen Verdacht schöpft. »Ehe der Sommer vorbei ist, werden sie beinahe so groß sein wie ich.«
    Spielerisch stupse ich die Pflanzen mit einem kleinen Stöckchen an, das ich auf der Erde gefunden habe. »Hallo, ihr hübschen Mädchen. Könnt ihr euch noch an mich erinnern? Ich bin’s, Jessamine, die euch so zärtlich gebadet und sich jeden Tag um euch gekümmert hat, bevor ihr geboren wurdet.«
    Mit unvermittelter Heftigkeit reißt mir Weed den Stock aus der Hand und bricht ihn entzwei. Er starrt mich an, als ob ihn seine eigene Handlung überraschen würde. Dann stöhnt er auf und sinkt zu Boden.
    ***
    Vater und ich tragen den halb bewusstlosen Weed zurück ins Haus. Er ist unglaublich schwer; bei jedem Schritt kommt es mir so vor, als müssten wir ihn aus der Erde ziehen.
    »Hast du gesehen, ob er irgendwelche Pflanzen berührt hat?« fragt Vater grunzend. »Hat er irgendeine von ihnen gekostet oder an einer gerochen?«
    Jetzt werden wir für immer aus dem Apothekergarten verbannt
, denke ich, aber um Weeds willen sage ich die Wahrheit. »Ja, Vater, aber nur um mir zu helfen. Als ich in diese Nessel fiel, riss er ein Blatt ab, um das Brennen zu lindern.« Ich ziehe meinen Schal beiseite und zeige ihm meinen Arm. Die rote Schwellung ist fast vollständig zurückgegangen. Die Haut ist kühl und glatt. Nur schwache, rosige Streifen zeigen noch, wo sie verletzt wurde.
    »Welche Pflanze?
Welche Pflanze hat er berührt?
«
    »Ich weiß es nicht!« Der Ausdruck auf Vaters Gesicht ist entsetzlich; einen Augenblick lang weiß ich nicht, ob er über Weeds Zustand so erregt ist oder über die Tatsache, dass er es gewagt hat, eine von Vaters Lieblingen zu beschädigen – oder weil Vater selbst nicht weiß, welche seiner Pflanzen gegen den Stich der Nessel hilft.
    Mit Weed über seiner Schulter liegend, öffnet Vater die Haustür mit einem festen Fußtritt und marschiert geradewegs die Treppe hinauf in mein Schlafzimmer.
    »Kannst du ihm helfen?«, frage ich flehend.
    Vater lässt Weed von seiner Schulter auf mein Bett gleiten. Dann geht er zu den Fenstern und öffnet sie alle, ohne Ausnahme. »Wenn er nichts von den Pflanzen zu sich genommen hat, wird ihn die frische Luft schon bald wieder beleben. Und wenn doch, dann ist er ein törichter Narr; er musste doch wissen, was passieren würde.«
    Er dreht sich um und betrachtet seinen Patienten. Weed atmet gleichmäßig, doch unter den geschlossenen Lidern zucken seine Augen hin und her.
    »Er träumt. Das ist ein gutes Zeichen.« Vater holt eine dünne Decke und legt sie über Weed. »Wenn ich nur ein Zauberglas hätte, mit dem ich diese Träume betrachten könnte«, murmelt er. »Ich könnte so vieles lernen.«
    Auch ich wünsche mir ein solches Zauberglas.
Träumst du von mir, Weed?
, frage ich mich.
Träumst du von unserem Kuss, wie ich es tue? Oder war es nur eine vorübergehende Laune, die dir nichts bedeutet?
    Vaters durchdringender Blick reißt mich aus meinen Gedanken und nagelt mich

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