Die Polizistin
Partner allein zurückzulas-sen?«
»Ich weiß es nicht. Du kennst sie besser als irgendwer sonst. Sage du mir, was sie sich gedacht hat.«
Robert stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Niemand weiß, wie sie tickt, Tiger.«
Selbst unter diesen Umständen hoben sich Joes Lippen zum Ansatz eines Lächelns. Nein, es gab niemanden, der sich so verhielt wie Lily.
In den letzten Monaten hatte sie sich verändert. Sein Lächeln löste sich auf, als er darüber nachdachte. Ihm waren die Veränderungen aufgefallen, aber er wäre der letzte Mensch, dem sie sich anvertraut hätte. Er wusste, wie sie zu ihm stand. Sie mied ihn wie die Pest.
»Während dieses Falles stand sie besonders unter Stress«, sagte er seinem früheren Partner. »Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendetwas hat sie bedrückt.
Ich habe versucht, die Kontrolle über sie zu behalten, aber beinahe hatte ich den Eindruck, als hätte sie den Fall persönlich genommen.«
»Sage mir noch mal, an welchem Fall sie gearbeitet hat«, bat Robert.
»Manuel Santos. Sein Drogenring wächst, der Umsatz steigt. Wir arbeiten eng mit dem Rauschgiftdezernat zusammen, aber bisher haben wir beide keine entscheidende Spur aufgetan. Er entwischt uns immer wieder.«
»Der Name sagt mir nichts«, gab Robert zu. Seine Stimme begann zu zittern, aber nach einem kurzen Durchatmen klang sie so fest wie immer. »Warum er-zählst du mir die Geschichte nicht von Anfang an?«
Ah, das war besser. Dieser selbstsichere Ton kam vom pensionierten FBI-Agenten Robert Haynes und nicht vom besorgten Vater. Joe fühlte, wie seine Konzentration geschärft wurde.
»Wie ich schon sagte, arbeiten wir seit einiger Zeit an diesem Fall. Cobra und Lily erfuhren, dass Santos’
Männer gern in einem bestimmten Stripclub herum-hängen. Ich habe sie hingeschickt, damit sie sich davon überzeugen konnten. Vielleicht würde sich auch eine Möglichkeit ergeben, dem einen oder anderen Kerl zu folgen. Himmel, wir greifen nach jedem Strohhalm.«
»Hast du Stripclub gesagt?«
»Ja. Der Laden heißt Tasseis. Unten am Lincoln. Du weißt, was für eine Gegend das ist. Deshalb habe ich sie zusammen mit Cobra hingeschickt.«
Schweigen.
»Robert?«
»Joe, setz dich lieber mal hin und halt dich gut fest.«
»Was ist denn?« Das Band um seine Rippen wurde fester.
»Hör mir zu und sage nichts.«
»Robert, du machst mir Sorgen.«
»Das will ich nicht. Aber wenn Shanna erfährt, dass ich dir das jetzt sage, wird sie mich umbringen.«
Joe ließ sich auf seinen Sessel nieder. Seine Knie waren weich wie Pudding.
»Ich sage das nicht nur so dahin«, fuhr Robert fort.
»Du darfst ihr nie sagen, dass du diese Geschichte kennst oder gar von mir erfahren hast, dann das wür-de ihr die Luft zum Atmen nehmen.«
»Ich verstehe«, sagte Joe leise.
»Annie, könntest du uns eine Kanne Kaffee brühen, meine Liebe?« Im Hintergrund gab es einige schlur-fende Geräusche, aber dann war Robert wieder in der Leitung. Seine Stimme klang gedämpft und sehr ernst.
»Es ist gut möglich, dass Shanna diesen Fall sehr persönlich nimmt, Joe. Ich weiß nicht, wie die Dinge miteinander verbunden sind, aber es gibt da einiges, was du über Shanna noch nicht weißt.«
Joe stützte die Ellenbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen.
»Sie hat ein hartes Leben hinter sich, Tiger.«
Die Stimme des älteren Mannes klang noch leiser, und Joe traute sich nicht, etwas zu sagen, weil er fürchtete, dass er keinen Ton über die Lippen brachte.
»Du weißt, Annie und ich lieben sie, als wäre sie unsere eigene Tochter. Aber ich habe dir nie gesagt, wie wir sie kennen gelernt haben. Das war einige Jahre, bevor du zu uns gekommen bist. Ich arbeitete damals an einem Fall, der eurem Santos nicht unähnlich war, und auch mein Mann war Stammkunde im Tasseis.«
Joe fühlte, wie sich sein Magen umdrehte. Er ahnte, wie sich die Geschichte entwickelte.
»Ich habe meinen Mann im Tasseis nicht gesehen, aber jemand beging den Fehler, meine Brieftasche klauen zu wollen.«
»Lily«, flüsterte Joe.
»Shanna«, korrigierte Robert. »Sie war Tänzerin im Club – die Beste, wie alle versicherten. Und sie war die beste Taschendiebin, der ich je begegnet bin. Nun, um es kurz zu machen – ich nahm Shanna mit nach Hause, und Annie kümmerte sich um sie. Wir haben es geschafft, sie von der Straße zu holen. Sie hatte die Kraft, viele Jahre auf der Straße zu überleben, und dann hatte sie die Kraft, sich aus dem Milieu zu befreien.«
»Ich
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