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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Alcobaça komme von Helcobatie, wie eine römische Siedlung in der Nähe hieß, doch ist damit unsere brennende Frage noch nicht beantwortet, das Problem nur auf eine andere Epoche verlagert: Hießen die Flüsse damals Helco und Batie? Wurde Helcobatie nach ihnen benannt? Oder wurde Helcobatie großmütig in zwei Hälften geteilt, damit die Flüsse nicht namenlos blieben? Das klingt nach Spielereien des Reisenden, dabei ist es ein ernstes Thema. Und es ist nicht in Ordnung, dass man uns Erklärungen gibt, die nichts erklären. Auch wenn man zugeben muss, dass man selbstverständlich in Ruhe leben und arbeiten kann, ohne dass die Frage nach Alcobaças Namen gelöst ist.
    Das Bemerkenswerte an der Fassade des Klosters ist das perfekte Zusammenspiel der verschiedenen Stile, zumal das jüngere Barock keinerlei Konzessionen an das gotische Portal zu machen versucht. Allerdings ist dieses auch in seinen Möglichkeiten, mit den übrigen Elementen der Fassade zu konkurrieren, dadurch eingeschränkt, dass es schlichte, schmucklose Archivolten besitzt und durch barocke Pfeiler eingerahmt wird. Struktur und Dynamik des Ganzen sind also barock geprägt, daran ändern auch die beiden manuelinischen Fenster links und rechts neben der Rosette nichts. Die Glockentürme sind der Triumph des Stils, in zahllosen Beispielen im ganzen Land zu finden.
    Doch im Kircheninnern vergisst der Reisende die Fassade. Hier herrscht das Zisterzienserreich, eine nach reiner Funktionalität geschaffene Atmosphäre, die Strenge der Architektur spiegelt die Strenge der Klosterregeln. Das Hauptschiff ist immens lang (das längste in Portugal) und wirkt durch die hohe Gewölbedecke ungemein schmal. Die Seitenschiffe verstärken diesen Eindruck noch, sie muten fast wie Korridore an. Das Bauwerk ist imposant, überwältigend, in diesen Raum gehören nur große Chorgesänge und feierliche Gebete. Der Reisende fühlt sich ein wenig fehl am Platz, wie auf der Suche nach seiner eigenen Dimension.
    Hier befinden sich die Sarkophage von Pedro und Inês, den unsterblichen Liebenden, die auf das Ende der Welt warten, um aufzuerstehen und, falls so etwas im Himmel geduldet wird, ihre Liebe ab dem Augenblick weiterzuleben, an dem »die brutalen Mörder« ihr ein Ende machten. Es sind die Sarkophage eines portugiesischen Königs und einer Hofdame, aus Galicien gebürtig, die einander liebten und Kinder hatten. Sie, die Hofdame, wurde vermutlich aus politischen, keinen anderen Gründen ermordet. Es sind zwei Juwele der Steinmetz- und Bildhauerkunst, leider mutwillig beschädigt, was man jedoch dank des herrlichen Gesamteindrucks fast vergisst. Der Reisende bedauert nur, dass die hohen Sarkophage ihren wichtigsten Teil, die liegende Figur, praktisch verbergen, denn man kann sie nur mühsam und bruchstückhaft sehen. Schon in Batalha hat der Reisende die Doppelgestalt von Dom João und Dona Felipa kaum sehen können, sie liegen nebeneinander, er hält ihre Hand, als Bildnis des glücklichen Ehepaares; der Reisende ist rundherum gegangen, wusste aber, dass ihm das Wesentliche entging. All diese Grabstätten, die heute einzig und allein Kunstwerke sind und keine Denkmäler für Ruhm und Macht derer, die darin liegen (oder nicht mehr liegen oder nie gelegen haben), sollten, wann immer es möglich ist, ohne den sie umgebenden Raum zu beeinträchtigen, tiefer gesetzt werden, mit Stufen und einem ausreichend breiten Umlauf, damit sie sich dem Auge aus allen Blickwinkeln darbieten können. Das geht nicht, werden die Fachleute sagen. Es sollte aber so sein, erwidert der Reisende. Und jeder hält an seiner Meinung fest.
    Der Reisende sollte sich nicht wiederholen. Er muss es sogar vermeiden. Aber er will nicht verheimlichen, dass er, obwohl er die Sarkophage von Dom Pedro und Dona Inês außergewöhnlich schön findet, die andere Kapelle, die Sala dos Túmulos, unter gestalterischem Aspekt vorzieht. Als Beispiel sei nur der Sarkophag von Dona Beatriz de Gusmão aus dem 13. Jahrhundert genannt. Ein kleiner Schrein, der natürlichen Größe einer Frau entsprechend, umgeben von roh skulptierten Figuren mit höchst dramatischem Ausdruck, obwohl in gewisser Weise stereotyp.
    Dramatisch ist auch der Zustand des Altarbildes vom Tod des heiligen Bernard, die Keramik ist gesprungen und zerbrochen. Trotzdem ist es ein Meisterwerk. Die Figuren sind so lebendig gestaltet, wie es vielleicht nur dieses Material ermöglicht – schließlich ist Tonerde, wie es heißt, unserer menschlichen

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