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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Musikzimmer, der Thronsaal, der Teesalon, das Boudoir der Königin, die Kapelle, das Schlafzimmer von dem und von der, das königliche Bett, der Dom-José-Stuhl, die venezianischen Kronleuchter, das Holz aus Brasilien, der Marmor aus Italien. Wirkliche, seriöse Kunst ist praktisch nicht vorhanden; dekorative, oberflächliche Kunst, die nur das Auge ablenkt und das Hirn nicht beschäftigt, solche Kunst findet sich hier überall. Und der Reisende lässt sich von der Litanei des Fremdenführers einlullen, der der braven Herde der heutigen Besucher den Weg durch den Palast und zu ein paar Kenntnissen bahnt, schlafwandlerisch trottet er mit, während er den alten Groll wieder hochkommen fühlt, bis er plötzlich wie aus dem Schlaf gerissen wird.
    Er befindet sich im Saal Don Quichotte, in dem Dom Pedro IV. zur Welt gekommen und gestorben sein soll. Nicht dieser Anfang und dieses Ende gehen dem Reisenden nahe – es fehlte gerade noch, über so gewöhnliche Dinge Tränen zu vergießen. Was ihn tatsächlich erregt, ist die Ungehörigkeit, Szenen aus dem Leben des armen Ritters von La Mancha, des eifrigen Hüters von Ehre und Gerechtigkeit, des von Leidenschaft Besessenen und Erfinders von Riesen in diesen Palast von Queluz zu malen, der das Rokoko auf portugiesische Art und den Neoklassizismus auf französische Art interpretiert und mehr danebengegriffen als getroffen hat. Manchmal wird großer Missbrauch getrieben. Der glücklose Don Quichotte, der aus Bedürfnis und Überzeugung wenig aß und übermäßig viele Entbehrungen litt, wurde zwangsweise an den Hof einer Königin gebracht, die von Anstand nichts hielt, und eines Königs, der Fasan und Schweinshaxe nicht widerstehen konnte. Falls es stimmt, dass Dom Pedro hier geboren wurde, und falls er, abgesehen von familiären und dynastischen Interessen, die es zu wahren galt, wirklich freiheitsliebend war, dann hat Don Quichotte de la Mancha getan, was er konnte, um sich für die Beleidigung zu rächen, dass man ihn auf diese Wände hier gemalt hat. Grün und blau geschlagen, den Körper auf den malträtierten Armen halb aufrichtend, mit nahezu trübem Blick von der Ohnmacht, aus der er erwacht ist oder in die er fallen wird, hört er den ersten Schrei des Kindes und sagt zu ihm in Cervantes’ schöner Sprache, was der Reisende hier übersetzt: »Hör zu, Kleiner, wenn ich schon hier sein muss, sieh zu, dass du mir keine Schande machst.« Und wenn es zutrifft, dass Dom Pedro zum Sterben hierherkam, wird derselbe Don Quichotte, nun auf seinem Pferd sitzend, als wollte auch er sich aufmachen, den Arm zum Abschiedsgruß gehoben und im allerletzten Augenblick zu ihm gesagt haben: »In Ordnung, du hast es ganz gut gemacht.« Tröstlichere Worte könnte man, aus einem solchen Mund und an einen einfachen König gerichtet, nicht erwarten.

Angeblich etwas Schönes
    Hier ist das Halsband. Der Reisende hat sein Wort gehalten: Sobald er in Lissabon sei, wolle er ins Museu de Arqueologia e Etnologia gehen und nach besagtem Halsband fragen, das die Sklaven der Lafetás trugen. Man kann die Inschrift lesen: »Dieser Neger gehört Agostinho de Lafetá aus Carvalhal de Óbidos. « Der Reisende spricht es immer wieder nach, um es dem vergesslichen Gedächtnis einzuprägen. Dieser Gegenstand ist, wenn man ihm einen Preis zuordnen soll, Millionen und Abermillionen wert, so viel wie das Kloster Jerónimos hier gleich nebenan, der Turm von Belém, der Präsidentenpalast und die Kutschen, alles zusammen, wahrscheinlich so viel wie die ganze Stadt Lissabon. Dieses Halsband, und wohlgemerkt, es ist wirklich ein Halsband, hat um den Hals eines Mannes gelegen, hat seinen Schweiß aufgesaugt und vielleicht auch etwas Blut nach einem Peitschenhieb, der dem Rücken galt, aber danebenging. Der Reisende dankt von ganzem Herzen demjenigen, der es aufgehoben und den Beweis für ein großes Verbrechen nicht vernichtet hat. Doch da er sich bisher mit Anregungen, und wenn sie noch so einfältig erscheinen mochten, nicht zurückgehalten hat, äußert er nun eine weitere: Das Halsband des schwarzen Sklaven von Agostinho de Lafetá sollte in einem Saal ausgestellt werden, in dem sich sonst nichts befindet, damit die Besucher nicht abgelenkt werden und keiner hinterher sagen kann, er habe es nicht gesehen.
    Das Museum hat Tausende von Exponaten, die der Reisende nicht erwähnen wird. Alle haben sie ihre eigene Geschichte, vom Paläolithikum bis zum 19. Jahrhundert, und alle diese Geschichten können uns viel

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