Die Portugiesische Reise (German Edition)
Krallen und dem riesigen, schnaubenden Käfer. Beleidigt und tränenüberströmt gleitet sie in den nächstbesten Baum, um ihre Enttäuschung zu verbergen. Der Reisende ist sich seiner Sache vollkommen sicher und gibt die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages ein Vogel kommt, der groß genug ist, ein Auto samt Insassen mit in die Höhe zu nehmen, wo es dann den bunten Glasscherben Gesellschaft leisten kann. Zumal in gewöhnlichen Elsternestern auch schon Spielzeugautos gefunden wurden.
Die Freude über seine Entdeckung hält nicht lange an. Als der Reisende nach Rendufe kommt, findet er ein heruntergekommenes Kloster vor, mit einem Kreuzgang aus toskanischen Bögen, der noch schön anzusehen ist, obwohl überall Unkraut wuchert und die Azulejos von den Wänden fallen oder von professionellen Dieben abgerissen wurden, vielleicht auch von habgierigen Besuchern, denen die Erinnerungen, die sie im Kopf haben, nicht reichen. Aus der Kirche kommen Kindergruppen, von einem Vortrag oder von der Katechese, denkt sich der Reisende, sowie ein Pater, der sich mit einem Mann unterhält, der kein Pater ist, und der Reisende fühlt sich gekränkt, weil ihn niemand beachtet, weder die Kinder noch die Männer, obwohl er doch mit Hilfe der ausgezeichneten Akustik im Kreuzgang lautstark guten Tag gewünscht hat. Er betritt die Kirche und kann ihr nicht das Geringste abgewinnen, das ist die Rache. Auch sie ist eine Ruine, die Kirchenbänke zerfallen und die Orgel fast völlig zerstört. Sicherlich sind die Schnitzereien nicht schlecht, aber der Reisende ist des barocken Schnitzwerks überdrüssig, das ist sein gutes Recht, auch wenn es hier aus Rache geschieht.
Der heutige Tag geht dem Ende entgegen. Der Reisende will keine Kunst mehr sehen. Er fährt die Straße am Rio Homem entlang und hat nur noch Augen für die Natur. Er kommt durch Terras de Bouro, die Täler hier sind alle bewirtschaftet, auf der anderen Seite hinten die Berge, eine weite, ausgedehnte Landschaft, mit breiten Terrassen, die manchmal steil abfallen. Ab Chamoim verändert sich das Bild der Landschaft, es tauchen wieder spitze Felsen auf, das Wasser auf den Hängen findet keinen Humus, um sie fruchtbar zu machen. Das hohe Gebirge zu seiner Linken auf der Strecke zwischen Covide und São Bento de Porta Aberta sieht aus wie eine Mondlandschaft. Und plötzlich, ganz unerwartet, taucht dichter Wald vor ihm auf, der Forst von Gerês, hohe Bäume, die der Reisende betrachtet, während er die Straße zum Caniçada- Staudamm hinunterfährt. Der Nachmittag weicht dem Abend, die Schatten werden länger. Diese Gegend, der große, stille See, glatt wie ein polierter Spiegel, die hohen Berge, die diese enorme Masse an Wasser zusammenhalten, vermitteln dem Reisenden ein Gefühl des Friedens, wie er es noch nicht erlebt hat. Und als er, nachdem er die Straße auf der anderen Seite wieder hochgefahren ist, zurück auf diese Welt blickt, sagt er sich, dass er ein Recht darauf hat, nur weil er ein Mensch ist, allein deswegen.
Der Mount Everest von Lanhoso
Zurück in der großen Stadt, wo er wohnt, weit weg von hier, wird sich der Reisende nach einem anstrengenden Tag an diesen See erinnern, an die Wasserarme, die in die steinigen Täler strömen und manchmal in den fruchtbaren Boden und die Häuser der Menschen, mit den Augen der Erinnerung wird er die steilen Hänge vor sich sehen, den Widerschein all dessen auf der unvergleichlichen Oberfläche, und dann wird sich in ihm die große Stille der Lüfte und der hohen Wolken ausbreiten, die große Stille, die er braucht, um flüstern zu können, als wäre das seine einzige Antwort: »Ich bin.« Dass die Natur in der Lage ist, einem einfachen Reisenden so viel zu erlauben, dürfte nur diejenigen erstaunen, die nie an diesem Stausee von Caniçada gewesen sind. Der Reisende muss erklären, worum es geht: Wer sich nachher hinstellt und prahlt: »Da war ich schon mal«, oder: »Da bin ich mal vorbeigefahren«, der hat es nicht verstanden. Ach, die Armen, die nicht von sich behaupten können: »Ich war dort, um mir etwas zeigen zu lassen.«
Durch das tiefe Tal, das sich seinen Weg bis nach Portela do Homem bahnt, gelangt der Reisende nach Gerês. Hier in der Gegend gibt es ein paar alte Hotels, die der Reisende aufsucht, um sich ein Bild von der Mode jener Zeit zu machen, und war deren Geschmack auch nicht tadellos, so stellt er doch fest, dass, wer immer diese Stühle, Tische und Zimmer konzipiert hat, etwas Besseres geleistet hat als
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