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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Schnecken, die sich entlang des Dachfirsts erstrecken. Ein Brauch, der in dieser Gegend beginnt und auch wieder endet, jedenfalls was Konsequenz und Augenfälligkeit anbelangt. Die Landschaft ist durchgehend eben, fast gänzlich auf Höhe des Meeresspiegels, und zerläuft vor den Augen des Reisenden. In Estarreja sieht sich der Reisende nur das Haus am Platz an, in einem ekelerregenden Lachsrot, das jegliches Verständnis für seine Proportionen beeinträchtigt. Er fährt weiter in Richtung Süden, durch Salreu, Angeja, und endlich sieht er den Vouga in seinen wahren Ausmaßen. Dahinten, hinter diesen sandigen Flächen, liegt Aveiro, ein Ort, der im 10. Jahrhundert noch ein winziges Fischerdörfchen war, im Besitz der Gräfin Mumadona Dias. Schon damals wurde das Salz der Salinen in den Sumpfgebieten gewonnen, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass einige dieser Gegenden in zehn Jahrhunderten nichts anderes als Salz produziert haben.
    Der Reisende zieht die Bilanz des Tages und kommt zu keinem schlechten Ergebnis: ein Gott für den persönlichen Gebrauch, ein unvergleichlicher Hut, Wein für die Insel der Liebe, die berauschenden Wasser des Deltas. Er geht jedoch mit schlechten Vorahnungen schlafen: Die Sonne hat sich frühzeitig hinter dem feuchten Dunst versteckt, der über dem Meer schwebte. Aus dem Dunst ist am nächsten Morgen ein von dichtem Grau überzogener Himmel geworden, und die Luft ist kalt und rau. Das ist der richtige Zeitpunkt für ein paar kluge Betrachtungen über die Unbeständigkeit des Wetters und des Glücks. Gerade gestern noch konnte man zum Beispiel sehen, wie sich der Himmel um seine Lieblingsreisenden kümmert. Die Bucht im Licht der Sonne war ein königliches Geschenk. Und es ist gut, wenn der Reisende nicht in dem Irrglauben weiterreist, das Leben zeige sich immer nur von seiner schönsten Seite.
    Der Besuch des Museums von Aveiro ist ein Abenteuer. Wie jedes Museum hat es seine Öffnungszeiten, aber wenn der Reisende kein Glückskind ist, kann es passieren, dass er stundenlang auf Einlass wartet, wie ein Bettler vor dem Klostertor, wenn keine Suppe da ist. Und wenn hier von Klostertor die Rede ist, dann hat der Schreibende nicht etwa die künstlerische Freiheit missbraucht, sondern es ist wörtlich gemeint. Sicherlich hat es seinen Reiz, an der Strippe zu ziehen, es drinnen läuten zu hören und darauf zu warten, dass die Nonne beziehungsweise der Museumsdirektor dem Einlassbegehrenden die Tür öffnet. Ist der Reisende nicht mit den Sitten vertraut und öffnet man ihm nicht bald, so ist es nur natürlich, wenn er ungeduldig wird und noch einmal läutet. Das sollte er allerdings nicht tun. Befindet sich der Angestellte nämlich am anderen Ende des Klosters, so hat er weit zu laufen, und noch schlimmer ist es, wenn bereits andere Besucher da sind. Dann hilft nur Geduld bewahren und warten.
    Im Museum von Aveiro ist es auch, wo der Reisende die Waffen streckt, mit denen er in weniger ehrfürchtigen Stunden gegen den Barock kämpfte. Es fand keine fulminante Bekehrung statt, und schon morgen wird er gegen andere ästhetische Ausschreitungen und Überflüssigkeiten wettern, aber hier haben sich ihm die Augen geöffnet. Der Leiter des Museums von Aveiro versteht sein Handwerk. So wie auch der Fremdenführer, der den Reisenden begleitet: Er begnügt sich nicht mit den gewöhnlichen Litaneien, er macht auf Dinge aufmerksam, führt Dialoge, gibt intelligente Kommentare ab. Der Reisende lernt dazu, er gibt sich Mühe, ein guter Schüler zu sein.
    Von zweitausend dort vorhandenen Exponaten kann er über nicht einmal zehn etwas sagen. Vom architektonischen und gestalterischen Aspekt des Komplexes zu sprechen, wagt er kaum. Ein Wort zum Kreuzgang, er ist weiblich, die Bänke, auf denen die Nonnen an den Nachmittagen ihren Gedanken über Sakrales und Weltliches nachhingen und kleine Geheimnisse unter die Gebete mischten, sind mit Azulejos verkleidet. Der Reisende war nicht dabei zu jener Zeit, aber so muss es gewesen sein. Die Nonnen konnten sich glücklich schätzen, bei all dieser Schönheit an den Wänden, den Renaissance-Dekorationen, den wunderbaren Durchgängen. Was für Gerichte an den langen Tafeln serviert wurden, weiß der Reisende nicht, aber jetzt bemerkt er die Schönheit der Azulejos an den Wänden des Refektoriums, die niedrige Holzdecke, die tadellosen Proportionen des Ganzen. Ihn beeindruckt weniger das Grabmal von Prinzessin Santa Joana, ohne Zweifel ein Werk von

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