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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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und interessiert sich lediglich für die Altaraufsätze aus Kalkstein. Von dort geht es in die Misericórdia- Kirche, wo der wunderbare Ecce-Homo aus Seidenholz hinter dem reflektierenden Glas drum herum kaum zu sehen ist. Der Reisende hat sich an die Museen gewöhnt, an die Nachlässigkeit, mit der die Dinge ausgestellt werden, und wünscht sich diesen Ecce-Homo ein wenig zugänglicher.
    Als der Reisende Appetit auf ein Mittagessen verspürt, erreicht ihn aus den dunkelsten Ecken seines Gedächtnisses eine Erinnerung. Vor Jahren aß er in Aveiro einmal eine Fischsuppe, die ihm bis heute in der Nase und auf dem Gaumen geblieben ist. Um zu überprüfen, ob das Wunder sich wiederholen lässt, erkundigt er sich nach dem Palhuça, denn so hieß die Gaststätte, in der sich das Ereignis zutrug. Das Palhuça existiert nicht mehr, dort wird jetzt für die Engel gekocht oder vielleicht auch für die Prinzessin Santa Joana, seine Landsmännin, weit oben über den grauen Wolken. Der Reisende senkt geschlagen den Kopf und geht anderswo essen. Das Essen ist nicht schlecht, aber weder ist die Suppe aus dem Palhuça noch der Reisende derselbe wie damals: Inzwischen sind viele Jahre vergangen.
    Am Nachmittag will er sich die Ria ohne das Sonnenlicht ansehen. Bleiernes Wasser, plattes Land, alles löst sich in der Feuchtigkeit der Luft auf, und doch, trotz solcher Melancholie, trotz des dunklen Meeres, das gegen die Molen schlägt, ist er zufrieden mit seinem Los: Einen Tag Sonne, einen Tag Nebel, beides braucht der Mann.
    Er fährt die Küste hinunter, durch Vagos bis nach Vista Alegre. Über das Museum der Manufaktur gibt es nichts zu sagen; die Arbeit der Angestellten hätte sicherlich ein höheres künstlerisches Niveau verdient, eine neue Idee statt der ewigen Wiederholung überholter Formen und dekorativer Muster. Gefallen hat dem Reisenden die Kirche Senhora da Penha gleich daneben, nicht so sehr wegen des von Laprade gestalteten Sarkophags des Bischofs Dom Manuel de Moura, auch nicht wegen des riesigen Baumes Jesse, der das gesamte Dach bedeckt, sondern wegen der Wandmalereien in der Sakristei, Maria Magdalena, die sich vom Glanz und den Lastern der Welt verabschiedet, um als reuige Sünderin, hässlich und wirr, in einer Höhle Zuflucht zu suchen, in der kein Tier hausen würde. So ist die Welt: Die eine Heilige wird vom Maler Pachini wie ein Püppchen dargestellt, und mit der anderen geht man auf diese rücksichtslose Weise um.

Beim Marquis de Marialva
    Nachts regnete es. Wer hätte vorgestern bei dem Sonnenschein und klaren Himmel gedacht, dass das Wetter so schlecht werden würde. Wer denkt, das sollte den Reisenden entmutigen und er würde wieder nach Hause fahren, der irrt gewaltig: Der Reisende ist ein Mann, der jedem Wetter trotzt, er mag Kälte lieber als Hitze, und wenn ihn der Nebel stört, dann nur, weil man bei Nebel schlecht sehen kann. Auf dem Weg nach Águeda stellt er diese meteorologischen Betrachtungen an, während er sich die Landschaft ansieht. Die Straße verläuft zwischen den Hügeln, man kann von ihr aus die weiter unten gelegene überflutete Ebene sehen, die Reisfelder und üppig grünen Obstplantagen. Vielleicht entspringt der Nebel, der auf Höhe der Baumwipfel schwebt, den Ausdünstungen des Sumpfes. Kurz und gut, es ist ein wunderschöner Tag.
    Der Reisende fährt zuerst nach Trofa, einer kleinen Ortschaft ein Stück ab von der Straße, die von Águeda nach Albergaria-a- Velha führt. Wer es eilig hat, dem wird das Straßenschild, das liebenswerterweise den Weg dorthin weist, gar nicht auffallen, und wenn doch, dann wird er es gleich wieder vergessen haben, es sei denn, er gehört zur Armee der Liebhaber von naiver Mauermalerei, Gott schütze ihn. Sollte dem nicht so sein, so würde er in Trofa bekehrt werden.
    Zur Pfarrkirche, deren Schutzpatron São Salvador ist, gehört die Capela dos Lemos . Kaum hat der Reisende den Ort betreten, spürt er, dass dies einer der großen Augenblicke in seiner Profession als Weltenbummler ist. Sie ist keine monumentale Kirche, die durch das Zusammenwirken von Raum und Material beeindrucken würde. Es gibt ein paar Grabmäler unter vier Rundbögen, nur das und sonst nichts. Der Reisende muss sich korrigieren: all das. Hier liegt der werte Diogo de Lemos, der dieses Pantheon gegründet hat. Von wem diese liegende Statue stammt, weiß man nicht. Manche behaupten, sie wäre von Hodart, andere bestreiten oder bezweifeln das. Die Statue wird nicht dadurch schöner,

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