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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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sowie einen athletischen, femininen heiligen Sebastian mit langen Haaren, die ihm über die Schultern fallen, und affektiert eleganter Gestik. Alles das möge man sich ansehen, doch bevor man geht, sollte man sich noch einmal vor die Pietà stellen und sie sich genau einprägen, denn ein Kunstwerk wie dieses bekommt man nicht alle Tage zu sehen.
    Die Straßen von Belmonte nach Sortelha sind sehr schlecht, aber die Landschaft ist phantastisch. Nach Sortelha zu kommen ist, wie im Mittelalter zu landen, doch nicht in dem Sinne, wie man es zum Beispiel von der Kirche in Belmonte sagen würde, von wo der Reisende gerade kommt. Was dieser Ansiedlung ihren mittelalterlichen Charakter gibt, sind die gewaltigen Stadtmauern, die massiv gepflasterten, steilen Straßen und die auf riesigen Felsen thronende Zitadelle, Refugium der Belagerten, eine letzte und vielleicht vergebliche Hoffnung. Wenn jemand erst die zyklopischen Mauern überwunden hatte, wird ihn diese wie ein Witz anmutende kleine Burg nicht zur Aufgabe bewegt haben.
    Kein Witz ist die ordentlich und grammatisch korrekt geschriebene Anklage am Eingang eines Brunnens: ACHTUNG! DIESES WASSER IST DANK DER SCHLUDRIGKEIT DER STADTVERWALTUNG UND DER GESUNDHEITSBEHÖRDE NICHT TRINKBAR. Das gefällt dem Reisenden. Natürlich nicht, dass die Bewohner von Sortelha jetzt weniger Wasser haben, sondern dass jemand sich die Mühe gemacht hat, zu Pinsel und Farbe zu greifen und darauf aufmerksam zu machen, dass die Behörden ihren Pflichten nicht nachkommen. In Sortelha ist das der Fall, das kann der Reisende bezeugen, der aus diesem Brunnen trinken wollte und es nicht konnte.
    Nach Sabugal fährt der Reisende in der Hoffnung auf Exvotos aus dem 18. Jahrhundert, aber er findet kein einziges. Der alte Mann, der den Schlüssel zur Ermida de Nossa Senhora da Graça hat, wo sie sich eigentlich hätten befinden sollen, kann ihm auch nicht helfen. Die Kirche ist ein Neubau und unglaublich hässlich. Ausgenommen die in Holz geschnitzte Darstellung des Pfingstwunders in der Sakristei. Die lebhaft bemalten Figuren der Jungfrau Maria und der Apostel sind äußerst beeindruckend. Der Reisende hegt jedoch einen Zweifel: Wenn dieses das Pfingstwunder ist, warum sind es dann zwölf Apostel? Ist Judas hier nur aufgrund des kompositorischen Gleichgewichts vertreten? Oder hat der Schöpfer dieses volkstümlichen Kunstwerkes auf eigene Faust und Gefahr beschlossen, ihm zu verzeihen, ein Recht, dass nur dem Künstler zusteht?
    Der Reisende hat für diesen Nachmittag eine Verabredung. Er fährt nach Cidadelhe. Um Zeit zu sparen, isst er in Sabugal zu Mittag, und um keine zu verlieren, bleibt er gerade lange genug, um den Eindruck eines lauten Städtchens zu bekommen, in dem ein jeder entweder auf dem Weg zum Markt ist oder gerade von dort kommt. Dann fährt er auf direktem Wege zurück nach Guarda, vorbei an Pousafoles do Bispo, wo er ursprünglich hinfahren wollte, um zu sehen, was aus einem Ort geworden ist, in dem es einst fast nur Schmiede gab, und um das manuelinische Fenster zu besichtigen, das dort angeblich existiert. Nun gut, man kann nicht alles sehen, das fehlte noch, warum sollte es dem Reisenden da besser ergehen als anderen, die nie so weit gekommen sind. Möge Pousafoles do Bispo ein Symbol des Unerreichbaren bleiben, etwas, das uns allen entgeht. Aber der Reisende schämt sich seiner metaphysischen Erklärungen, als er sich fragt, was aus den Nachfahren der Schmiede von Pousafoles geworden sein mag. Er schämt sich kurz, schweigt und fährt zum Hotel, um Senhor Guerra aus Cidadelhe abzuholen, der ihn bereits erwartet.
    Von Pinhel bis Cidadelhe sind es wie gesagt fünfundzwanzig Kilometer. Dazu kommen vierzig von Guarda bis Pinhel. Genügend Zeit, sich zu unterhalten, und wie man weiß, hat niemand mehr zu besprechen als zwei Menschen, die einander kaum kennen und zusammen unterwegs sind. Schnell tauscht man Vertrauliches aus, erzählt aus seinem Leben mehr, als man es normalerweise tun würde, und dann merkt man, wie leicht es ist, sich einfach über den Akt des Miteinanderredens zu verstehen, wenn man Misstrauen ausräumen und ernst genommen werden möchte, was in einer Situation wie dieser unverzichtbar ist. Der Reisende und der Oberkellner wurden Freunde, hörten einander zu, stellten Fragen und beantworteten sie und verbrachten beide eine wunderbare Fahrt. In Pêra do Moço steht ein Dolmen, und da Guerra den Grund seiner Reise kennt, macht er ihn darauf aufmerksam. Aber es ist

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