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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ihres Verstandes – und davor hatte er Respekt. Sie
war stolz, und ihr Stolz ehrte ihn. Und sie war auch vorsichtig. Es dauerte
nicht lange, bis ihm klar wurde, dass sie, als sie vorschlug, eine Weile in
seiner Gesellschaft zu verbringen, dies zum Teil auch deshalb tat, um ihn
beobachten zu können. Manchmal begann sie eine scheinbar harmlose Unterhaltung.
Dann sagte sie etwa: »Letzte Nacht fühlte ich mich traurig, und diese
Traurigkeit wollte einfach nicht von mir weichen. Habt Ihr auch zuweilen solche
Gefühle?« Und erst danach wurde ihm klar, dass sie ihn auf die Probe gestellt
hatte, um herauszufinden, ob er unter jähen Stimmungswechseln litt. Als er sie
in Rathmines besuchte, ließ sie ihm von den Bediensteten immer wieder Wein
nachschenken, um festzustellen, ob er zu viel trank. Aber gegen diese kleinen
Fallen, die sie ihm stellte, hatte er nichts einzuwenden. Wenn sie eine
vorsichtige Frau war, umso besser. Und es machte ihn selig, dass sie ihn
ungeachtet der vorsichtigen Nachforschungen spüren ließ, dass er ihr allmählich
nicht mehr gleichgültig war.
    Er
dagegen wusste alles über sie, dafür hatte bereits sein Freund Morann gesorgt,
und die Erkundigungen des Kunstschmieds hatten zu einem einzigen Schluss
geführt: dass er eine Bessere schwerlich finden könnte, wie Morann meinte. Eine
solche Frau an seiner Seite zu haben würde Harolds Ansehen noch steigern; und
obwohl er zu feinfühlig war, um sich von so äußerlichen Dingen beeinflussen zu
lassen, sah er nicht den geringsten Grund, weshalb er eine gut aussehende Frau
verschmähen sollte.
    Es
gab in der Tat nur ein einziges Hindernis, das ihrer Heirat im Weg stand. Es
wurde erst Mitte Juni offenbar, als er ihr seinen Antrag machte. Anstatt sofort
zu antworten, hatte sie nach dem Austausch der üblichen Bemerkungen nämlich
entgegnet, sie müsse ihm zuerst noch eine einzige Frage stellen.
    »Und
die wäre?«, fragte er zurück.
    »Macht
es Euch etwas aus, wenn ich Euch frage, welcher Religion Ihr jetzt angehört?«
    Diese
Frage war nicht ungewöhnlich. Sie hatte gewusst, dass Harold zum Zeitpunkt
seiner ersten Heirat ein Heide gewesen war, aber neuerdings war es schwerer als
je zuvor zu erkennen, welchem Glauben die Leute in Dyflin angehörten. Obwohl
manche der Wikinger in der Stadt nach wie vor Thor, Wotan und anderen Göttern
des Nordens die Treue hielten, waren die alten nordischen Götter seit ihrer
Kindheit in stetigem Schwinden begriffen. Seither hatte es zu viele
Vermählungen mit Christen gegeben. Selbst der König von Dyflin war der Sohn
einer christlichen Prinzessin von Leinster. Wenn die Götter der Nordmänner ihre
Anhänger schützten, so mochten sich überdies die Leute fragen, woher kam es
dann, dass die Männer von Dyflin jedes Mal, wenn sie den Hochkönig angriffen,
verloren hatten. Und nun war Brian Boru, der Schutzherr und Förderer der
Klöster, ihr Herrscher. Die alte Holzkirche war in Stein neu errichtet worden,
und der wikingische König von Dyflin hatte dort in aller Öffentlichkeit
gebetet. Daher war es nicht verwunderlich, wenn die Ostmänner neuerdings, was
ihren religiösen Glauben anbetraf, häufig schwankten. Harold zum Beispiel trug
einen Talisman um den Hals, den man gleichermaßen für ein christliches Kreuz
wie für ein Hammer–Symbol des Gottes Thor halten konnte.
    In
Wahrheit empfand Harold wie die meisten Menschen seines Alters kaum noch starke
Gefühle für die Götter, und es wäre ihm ziemlich gleichgültig gewesen, ob er
Christ war oder nicht.
    »Warum
fragt Ihr, Caoilinn?«
    »Weil
es mir schwer fallen würde, einen Mann zu heiraten, der kein Christ ist.« Sie
schmunzelte. »Und es ist ja nicht schwer, sich taufen zu lassen.«
    »Ich
werde über Eure Worte nachdenken«, antwortete er.
    Sie
erwartete, dass er noch mehr sagte. Aber stattdessen beobachtete er sie. Sie
errötete leicht.
    »Ich
hoffe, dass Ihr das tut«, sagte sie dann.
    Er
erwartete, dass sie irgendwelche Zugeständnisse machte, aber sie tat es nicht.
    Bald
darauf kehrte er nach Hause zurück.
    Er
ließ sich die Sache eingehend durch den Kopf gehen. Die Taufe als solche war
nicht von Belang. Er hatte nichts gegen sie einzuwenden. Was ihm aber zu
schaffen machte, war die Art, wie Caoilinn die Frage aufgebracht hatte. Warum
hatte sie, wenn sie ihr so wichtig war, so lange damit gewartet? Der Grund
konnte nur sein, dass sie glaubte, sie könne, sobald er sich einmal so weit engagiert
hatte, von ihm verlangen, was sie wollte. Sie wollte ihn in

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