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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dem es hieß, es würde wie ein alter heidnischer Stein aus der Vorzeit manchmal
anfangen zu sprechen. Der andere war der prächtige Stab,
den ein Engel dem heiligen Patrick persönlich übergeben haben soll: Dies war
der berühmte Bachall Iosa, der Jesusstab. Er wurde in einem Schrein nördlich
von Dublin aufbewahrt und zu besonderen Gelegenheiten in die Christ Church
gebracht.
    Wenn Una ehrfürchtig
diese Wunderdinge bestaunte, sagte ihr Vater: »Sollte die Stadt je in Gefahr
sein, Una, bringen wir die Kassette zu den Mönchen in die Kathedrale. In ihrer
Obhut wird sie ebenso sicher sein wie diese Reliquien, die du hier vor dir
siehst.« Es beruhigte beide zu wissen, dass ihr kleiner weltlicher Schatz von
den Hütern des echten Kreuzes und des Bachall Iosa beschützt werden würde.
    Una wusste, dass ihr
Vater die Gedanken an diese Silberkassette Tag für Tag wie einen Talisman oder
ein Pilgeramulett mit sich herumtrug.
    Da er so viel
arbeitete, hatte er nun einen Gehilfen, und ihre Mutter hatte ein englisches
Sklavenmädchen, das ihr im Haushalt half. Ihre beiden Brüder waren gesunde
aufgeweckte Jungen. Es gab also keinen Grund, warum Una nicht drei Tage in der
Woche im Hospiz von Ailred dem Palmer verbringen könnte, zumal es nur einige
hundert Meter von ihrem Zuhause entfernt lag. Und schon bald ging sie montags
ins Hospiz und verließ es freitags wieder. Da Fionnuala die Sonntage mit ihrer
Familie verbringen sollte, bedeutete dies, dass der Palmer und seine Frau sie
nur einen einzigen Tag in der Woche unter Kontrolle halten mussten, was, wie
sie tapfer erklärten, keine Schwierigkeit sei.
    Sie waren ein
besonders liebenswertes Paar, der groß gewachsene rothaarige Nordmann und seine
stille, grauhaarige Frau. Una ahnte, welch ein Schlag der Verlust ihres Sohnes Harold
für sie gewesen sein musste; sie sprach sie nie auf dieses Thema an. Doch als
sie einmal im Hospiz gemeinsam Laken zusammenlegten, lächelte die ältere Frau
Una sanft an und sagte: »Ich hatte auch eine kleine Tochter, weißt du. Siestarb, als sie zwei Jahre alt war. Hätte sie überlebt, wäre
sie, glaube ich, genau wie du.« Una war so bewegt und hatte sich geehrt
gefühlt. Manchmal betete sie, dass der Sohn zurückkehren möge; doch natürlich
geschah es nicht.
    Una mochte das Hospiz
des heiligen Johannes des Täufers. Zurzeit zählte es dreißig Bewohner; die
Männer in einem Schlafsaal, die Frauen in einem anderen. Jeder Kranke wurde hier
behandelt, mit Ausnahme von Leprakranken, denen niemand zu nahe kommen wollte.
Die Menschen zu füttern und zu pflegen bedeutete eine Menge Arbeit, doch Una
gefiel es vor allem, mit ihnen zu sprechen und ihre Geschichten anzuhören. Sie
war äußerst beliebt. Fionnuala hatte einen anderen Ruf. Sie konnte lustig sein,
wenn sie wollte. Sie flirtete arglos mit den alten Männern und brachte die
Frauen zum Lachen. Doch hartes Arbeiten lag ihr nicht. Sie konnte die Bewohner mit
einem köstlichen Obstkuchen überraschen und erfreuen; doch oftmals, inmitten
einer ermüdenden Arbeit, musste Una feststellen, dass ihre Freundin einfach
verschwunden war. Und manchmal, wenn sie etwas geärgert hatte oder wenn sie dachte,
Una beachte sie nicht genug, konnte sie plötzlich in Wut geraten, dann warf sie
ihre Arbeit nieder und rannte in einen anderen Flügel des Hospizes, wo sie
schmollte.
    Fionnuala hatte schon
immer, seit sie ein kleines Mädchen war, die Männer angeschaut. Sie starrte sie
mit ihren großen grünen Augen an, bis sie lachten. Doch jetzt war sie kein Kind
mehr, sondern beinahe eine junge Frau. Und sie schaute sie noch immer an, aber
nicht mehr mit dem erstaunten Kinderblick. Es war ein kühles, herausforderndes
Starren. Sie starrte junge Männer auf der Straße an; sie starrte alte Männer im
Hospiz an; sie starrte verheiratete Männer auf dem Markt in Gegenwart ihrer Frauen
an, die es nicht mehr amüsant fanden. Doch als Erster beschwerte sich bei
Ailred ein fahrender Händler, der im Hospiz untergekommen war, nachdem er sich
ein Bein gebrochen hatte. »Dieses Mädchen macht mirschöne
Augen«, sagte er. »Dann kam sie und setzte sich auf das Ende der Bank, auf der
ich auch saß, und öffnete ihre Bluse, so dass ich ihre Brüste sehen konnte. Ich
bin zu alt, um mit solchen Mädchen Spiele zu treiben«, meinte er zum Palmer.
»Hätte ich nicht ein gebrochenes Bein, hätte ich hinübergelangt und ihr einen
Klaps gegeben.«
    Letzte Woche hatte es
eine weitere Beschwerde gegeben, und dieses Mal war sie

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