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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Ailreds Frau zu Ohren
gekommen. Una hatte diese sanfte Frau noch nie so wütend gesehen.
    »Man sollte dich
auspeitschen!«, schrie sie.
    »Wozu?«, hatte
Fionnuala ruhig entgegnet. »Es könnte mich nicht abhalten.«
    Beinahe wäre sie auf
der Stelle nach Hause geschickt worden, doch Ailred hatte ihre noch eine Chance
gegeben. »Ich will keine weiteren Klagen hören, Fionnuala, egal welcher Art«,
sagte er. »Und falls doch«, hatte er ihr angedroht, »musst du nach Hause gehen.
Dann kannst du nicht mehr zu uns kommen.«
    Ein, zwei Tage war
sie sehr still und nachdenklich. Doch schon bald benahm sie sich wieder wie
zuvor; und obwohl Fionnuala darauf achtete, den Männern, die sie umsorgte, keinen
Anlass zur Klage zu bieten, konnte Una in den Augen ihrer Freundin wieder das
Unheil aufblitzen sehen.
    Der Markt, auf dem die beiden Mädchen sich nun befanden, lag
genau im Durchgang des Westtors. Erst wenige Generationen zuvor waren die alten
Schutzwälle aus den Tagen des Brian Boru nach Westen ausgedehnt und alle aus
Stein neu errichtet worden. Neben der Kathedrale, die über die Strohdächer der
geschäftigen Flecken der Stadt mit ihren Häusern aus Holz– und Flechtwerk hinausragte,
gab es nun sieben kleinere Kirchen. Jenseits des Flusses nördlich der Brücke
war auch eine ausgedehnte Vorstadt entstanden .
    Obwohl der Markt im
Westen der Stadt nicht so groß war wie der nahe am Ufer, wo die Sklaven
verkauft wurden, ging es auf ihm lebhaft zu. Da waren die Händler aus
Nordfrankreich: Sie hatten ihre eigene Kirche, die Sankt Martin–Kirche, von der
man auf den alten Teich von Dubh Linn sah. Dann war da eine englische Kolonie
aus der geschäftigen Hafenstadt Chester, die genau im Osten auf der anderen
Seite der Irischen See lag. Der Handel mit Chester hatte in den letzten Generationen
zugenommen. Sie hatten eine sächsische Kirche mitten in der Stadt. Die
skandinavischen Seeleute hatten ihre Kapelle, Sankt Olav mit Namen, nahe am
Wasser. Und oft ließen Besucher aus Spanien oder aus noch ferneren Ländern den
Markt noch strahlender und bunter erscheinen. Sogar die Stadtbevölkerung war
nun sehr gemischt: riesige stämmige Kerle mit nordisch rotem Haar und irischen
Namen; südländisch aussehende Männer, die einem erzählten, sie seien Dänen –
man konnte von Ostmännern und Iren, Gaedil und Gaill sprechen, doch die
Wahrheit war, dass man die einen kaum von den anderen unterscheiden konnte. Sie
alle waren Dubliner. Und sie waren stolz darauf. Zu dieser Zeit zählten sie
etwa vier– bis fünftausend.
    Fionnuala stand am
Obststand. Una hatte sie aufmerksam im Blick, während sie ihr hinterherging.
Flirtete Fionnuala womöglich mit dem Markthändler oder mit einem der
umstehenden Männer? Es sah nicht so aus. Ein gut aussehender junger
französischer Händler schlenderte auf den Stand zu. Als der junge Mann näher
kam, schien es Una, dass die Tochter des Priesters ausnahmsweise keine Notiz
von ihm nahm. Una schickte ein Dankgebet gen Himmel. Vielleicht würde sich Fionnuala
heute mal gut benehmen.
    Als Una sah, was
Fionnuala als Nächstes tat, verstand sie es zuerst nicht. Es schien die
normalste Sache von der Welt zu sein. Alles, was Fionnuala getan hatte, war,
ihre Hand auszustrecken und einen großen Apfel vom Stand zu nehmen,ihn anzuschauen und ihn zurückzulegen. Das war nichts Merkwürdiges.
Der junge Franzose sprach mit dem Standbesitzer. Fionnuala stand noch einen
Moment da, dann ging sie weg. Una holte sie ein.
    »Mir ist langweilig,
Una«, sagte Fionnuala. »Lass uns zum Quai gehen.«
    »Einverstanden.«
    »Hast du gesehen, was
ich habe?« Sie schaute Una mit einem leicht schelmischen Lächeln an. »Einen
schönen saftigen Apfel.« Sie griff in ihre Bluse und zog ihn hervor.
    »Wo hast du den her?«
    »Vom Stand.«
    »Aber du hast ihn
nicht bezahlt.«
    »Ich weiß.«
    »Fionnuala! Bring ihn
sofort zurück.«
    »Ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich es nicht
will.«
    »Um Himmels willen,
Fionnuala! Du hast ihn gestohlen.«
    Fionnuala riss ihre
grünen Augen auf. Wenn sie es sonst tat und dazu eine lustige Grimasse schnitt,
musste man unwillkürlich lachen. Doch dieses Mal lachte Una nicht. Jemand könnte
den Diebstahl beobachtet haben. In Gedanken sah sie schon den Standbesitzer auf
sie zulaufen und den herbeigerufenen Ailred.
    »Gib ihn mir. Ich
lege ihn zurück.«
    Langsam und
bedächtig, die Augen noch immer weit aufgerissen mit dem gespielten ernsten
Blick, hob Fionnuala den Apfel, als wollte

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