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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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recht? In hundert Jahren nicht, stimmt’s? Aber es ist so, glaub mir. Ich bin jetzt anders. Es ist, als würden die Worte nur so aus meinem Kopf heraussprudeln.« Er blickt zur Seite, plötzlich peinlich berührt. »Ich brauch das Arbeitszimmer«, sagt er. »Ich hab schon einiges in Planung. Große Dinge.«
    »Ist Alfredo was passiert?«
    Tariq würde seufzen, hätte er die Kraft dazu. »Frag wenigstens richtig«, sagt er. »Frag nicht, ob Alfredo was passiert ist. Frag, ob ich Alfredo passiert bin. Verstehst du, was ich meine? Frag, ob er nicht hier bei dir ist, weil ich ihm was getan habe.«
    Jetzt weint sie, und er würde ihr am liebsten ins Gesicht schlagen. »Hast du ihm wehgetan?«, sagt sie.
    »Wem?«
    »Alfredo.«
    »Versuch’s noch mal. Mach’s richtig.«
    »Hast du Alfredo wehgetan?«
    »Nein. Aber danke, dass du mich so direkt fragst.«
    D er Hund folgt Tariq ins Badezimmer. Nicht gerade seine erste Wahl – Isabel, in ein großes flauschiges Handtuch gewickelt, wär ihm lieber – aber was soll’s, schön, ein bisschen Gesellschaft zu haben. Die Pfoten des Hundes machen auf seinem Weg zur Toilettenschüssel Geräusche, wie eine Schreibmaschine, deren Typenhebel auf eine leere Rolle treffen. Er schaut Tariq an – gibt’s hier irgendwelche Regeln zu beachten? –, dann senkt er den Schädel in die Toilette und trinkt. Tariq überlegt, ob er den Hund anschreien soll, aber das kleine Vieh ist wahrscheinlich bloß halb verdurstet, und außerdem hat Tariq genug Probleme. Im Spiegel starrt er seine Wange an. Was für eine Sauerei. Mit einer Lage feuchtem Toilettenpapier betupft er die kleinen Eiterkügelchen, die sich um die Wunde herum eingelagert haben. Wenn Isabel nicht zu nah drankommt, sieht sie es vielleicht nicht … aber das ist lächerlich, und das weiß er auch. Das Mädchen ist ein Blitzmerker, genau wie er.
    Blut tropft ihm aus der Nase. Das kommt vom Stress. Er zermartert sich in einer Tour den Kopf wegen seines Aussehens, wegen Geld, darüber, wie er alles gut und richtig machen kann, und das alles ist ihm zu viel, er möchte schreien, er möchte am liebsten den Kopf gegen den Spiegel hauen. Er hält sich an den Armaturen fest. Hinterlässt kleine Blutkometen auf dem Gesichtshandtuch der Familie. Mach dir keine Sorgen, sagt er sich. Beruhige dich. Dann hast du eben einen Blutfleck aufs Handtuch gemacht. Na und? Mama wäscht die regelmäßig, und du hast ja keine Hepatitis oder AIDS oder irgendeinen anderen Junkiescheiß. Stimmt’s, Hundi?
    Der Hund antwortet nicht. Wie ein kleiner Entdecker steigt er in die Badewanne. Seine Pfoten machen dabei klick, klack. Klick, klack.
    A ls Tariq aus dem Badezimmer kommt, ist die Wohnung grell erleuchtet. Jeder Schalter wurde umgelegt, jede Lampe eingeschaltet. Die Birnen strahlen in der Küche und im Flur, besonders aber im Wohnzimmer, wo er Isabel entdeckt, die von einem Glorienschein umgeben ein schnurloses Telefon fixiert. Sie hat aufgehört zu weinen, und für sein Empfinden geht von ihrem Gesicht nun eine erotische Strahlkraft aus.
    »Du süßes, kleines, unschuldiges Mädchen«, sagt er. Er setzt sich neben sie aufs Sofa und nimmt ihre schlaffe Hand. Den Blick auf ihre Finger gerichtet, stellt er sich eine Welt ohne Rasierklingen vor, eine Welt, in der Isabel ganz ohne Zweifel die haarigste Frau überhaupt wäre. Immerzu hatte er ihr damit in den Ohren gelegen, gestichelt, bis sie sich schließlich jeden Tag die Beine rasierte und Unterarme, Unterlippe und den Intimbereich mit Wachs enthaarte. Sie hatte sich mit einem Einwegrasierer sogar ihre Finger rasiert, so dass er, wenn er ihre Hand hielt, ein Schwarzpulver aus Stoppeln zwischen ihren Knöcheln ertasten konnte. Jetzt aber schießt dieses Pulver nur so aus der Haut. Es fühlt sich wunderbar weich an seinem Daumen an, und er kann beim besten Willen nicht verstehen, warum er sie überhaupt je gebeten hatte, sich zu rasieren.
    »Bei seinem Telefon springt gleich die Mailbox an«, sagt sie. Sie schaut Tariq nicht an. Die Hefte mit den Wohnungsangeboten liegen auf einem beschämend kleinen Haufen neben ihr auf dem Sofa. »Wenn du weißt, wo er ist …«
    »Er ist zu einer Frau gefahren«, sagt Tariq. »Bist du jetzt zufrieden? Mehr weiß ich nicht.«
    »Sag mir einfach die Wahrheit. Bitte. Ich versprech’s, ich werd dir nicht böse sein.«
    »Kommt das häufiger vor? Kommt er immer erst so spät nach Hause?«
    Sie zieht die Hand weg.
    »Okay, Frage«, sagt Tariq. »Wenn er die ganze Zeit arbeitet

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