Die Probe (German Edition)
ich das Vergnügen?« Kokett hob sie den Schleier, schenkte ihm ein dankbares Lächeln und spann ihre Lüge weiter. Ed Griffith, auf dessen Schoss Lauren schon als Baby gesessen hatte. Von allen Anwesenden kannte er sie wohl am besten. »Kommen Sie, wir trinken ein Glas in der Goldmine. Sie müssen mir unbedingt alles von meinem Sonnenschein erzählen.« Das hatte sie keineswegs vor, aber sie folgte der allmählich lauter werdenden Trauergemeinde in den Pub.
Argwöhnisch verfolgt von verstohlenen Blicken, zog Ed sich mit ihr an einen kleinen Tisch weitab vom Tresen zurück, halb verdeckt hinter einer dicken Säule. Sie brauchte sich nicht sonderlich anzustrengen, um ihn zum Reden zu bringen. Nach dem dritten Pint hatte er Laurens Kindheit schon weitgehend abgehakt.
»Und nun ist sie eine berühmte Chemikerin geworden«, sagte Francesca mit einem Seufzer der Bewunderung, als sie mit dem vierten randvollen Bierglas an den Tisch zurückkehrte.
»Weltberühmt, das will ich meinen.« Eds Zunge war hörbar schwerer geworden, aber er hielt sich ganz gut und erzählte weiter: »Wissen Sie, das weiß niemand außer mir.« Er rückte näher und senkte seine Stimme, bis er nur noch flüsterte. »Sie wird bald noch viel bekannter. Sie hat eine unglaubliche Entdeckung gemacht. Wird die Welt verändern, hat sie gesagt. Wortwörtlich hat sie das gesagt.«
»Was hat sie denn entdeckt?« Ed machte eine abwehrende Handbewegung und hielt den Finger vor den Mund, als er antwortete:
»Nicht so laut! Das ist ein Geheimnis. Darf niemand wissen, darum habe ich die Beweise so gut versteckt.« Er lehnte sich zurück, trank einen Schluck, leckte sich zufrieden die Lippen und fügte stolz hinzu: »Findet niemand.«
»Sie hat Ihnen Beweise gegeben?« Sie war zu überrascht, um zu verhindern, dass ihr die Frage herausrutschte. Er wurde nicht misstrauisch, dafür floss zuviel Alkohol in seinem Blut. Er schüttelte nur energisch den Kopf und brummte:
»Top secret!«
Die Fahrt nach Wales hatte sich gelohnt. Laurens geheime Dokumente in Blaenavon würden ihren Verehrer wohl kaum kalt lassen, nach allem, was sie über seine Geschäfte erfahren hatte.
Amareleja, Portugal
Am frühen Morgen, wenn sich die Luft, die man atmete, noch angenehm kühl anfühlte und die Amseln in der Eiche hinter dem Haus noch aus Leibeskräften musizierten, fiel Lauren die Arbeit am leichtesten. Ihr ganzes Team war früh auf den Beinen, so wunderte sie sich nicht, als es morgens um halb sieben klopfte. Ihr Chemikerkollege stand vor der Tür und streckte ihr ein Paket entgegen.
»Morgen, die DVDs mit den Messreihen. Willst du sie noch ansehen, bevor ich sie zur Post bringe?«
»Du hast sie kontrolliert?« Er nickte. »O. K., dann brauche ich keine Zeit damit zu verschwenden.« Die dreißig Gigabytes mussten so schnell wie möglich ins Institut nach München, wo sie leichter analysiert und aufbereitet werden konnten als auf ihren schwachen PCs.
»Gut, ich bringe sie nachher auf die Post.« Sie hatte die Tür schon fast wieder geschlossen, als sie sich plötzlich anders besann. Sie rief ihn zurück und sagte:
»Du kannst dir den Weg sparen. Ich muss sowieso ins Dorf, da kann ich das Paket gleich mitnehmen.«
»Auch gut«, antwortete er achselzuckend und gab ihr die Datenträger. Im letzten Moment war ihr eingefallen, bei dieser Gelegenheit ihr zweites Kleid aus der Reinigung abzuholen. Ganze zwei einigermaßen elegante Kleider hatte sie im Gepäck, der Rest bestand aus formlosen Hosen und T-Shirts, nicht der Rede wert. Eitel? Sie war nicht eitel. Aber in Kürze stünde Charlie auf der Schwelle, und sie fühlte sich mit einem Mal etwas nackt. In aller Eile löffelte sie ihre Cornflakes aus, trank im Stehen etwas Orangensaft aus der Tüte und schwang sich aufs Rad.
Ein kurzes Stück führte die Strasse durch den Solarzellenwald, in dem häufig Techniker und Ingenieure unterwegs waren. Die Leute begegneten ihr und den anderen Exoten aus München mit sichtbarem Respekt, seit sie ein großes Display am Haus angebracht hatten, das laufend die aktuelle Spannung und Leistung ihrer winzigen Solarzellen anzeigte. Sie hatte beobachtet, wie ganze Gruppen in der Dämmerung staunend vor dem Haus standen, wenn ihre Module noch Strom produzierten, während die große Anlage längst schlief. Ihre Technologie bewährte sich ohne nennenswerte Probleme im extremen Klima dieser heißen und trockenen Ebene. Selbst die primitive Klebefolie am Haus arbeitete tadellos. Mit diesem
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