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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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dieser Art bewegten sich im Bereich zweistelliger Millionenbeträge und fünfzig Millionen war sowieso der Eintrittspreis Vidals in die erlauchte Gesellschaft des Herrn Dr. von Moos. Das Geld würde sie sofort nach dem Eintreffen auf Vidals Konto bei der Privatbank für den Kauf von Michaels Anlagevehikel einsetzen, das er eben skizziert hatte. Der Plan konnte funktionieren. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, dem Milliardär in kurzer Zeit zu beweisen, dass sie ihr Geschäft verstanden. Sie packte ihren Lover an den Ohren, zog ihn so nahe an sich heran, dass sich ihre Nasenspitzen berührten und säuselte:
    »Guter Junge! Ich glaube, das lässt sich arrangieren.«
Osaka
    Wie immer an großen Anlässen, fühlte sich Lauren nicht sonderlich wohl. Viel lieber hätte sie den frühen Feierabend zu Hause in ihrer gemütlichen Wohnung über dem Kizu River verbracht, mit einem guten Glas Wein und etwas Musik. Mahler oder Bruckner, die hätten zu ihrer Stimmung gepasst. Vielleicht hätte sie sogar ihre alte Violine aus dem Koffer geholt, die sie seit ihrem Zerwürfnis mit Ryan nie wieder in die Hand genommen hatte. Aber für ein Mitglied des Managements war es undenkbar, nicht an der Direktionskonferenz zu erscheinen, die alljährlich im prunkvollen Peacock Saal des Imperial Hotels zur Kirschblüte stattfand. Allein der Empfang und die reibungslose Platzierung der fünfzehnhundert Gäste nach einer ausgeklügelten Sitzordnung waren eine logistische Meisterleistung. Entlang der Wände des ganz in zarten Lachstönen gestalteten Saals hatte man mannshohe Vasen mit frisch geschnittenen Kirschblütenzweigen aufgestellt. Genügend, um die Augen der Gäste zu betören, zu wenige, um den feinen Duft von weißem Sesam, Pfeilwurz und frischen Bambussprossen in den Tellern zu stören. Die Heerschar schwarz befrackter Kellner und Kellnerinnen räumte beinahe lautlos die Schalen des Grillgerichts ab. Es war erst der sechste Gang des neungängigen Kaiseki Dinners, und am Pult räusperte sich der vierte Redner dieses endlosen Abends. Der Finanzchef war keineswegs der Letzte, der seine längst bekannten, langweiligen Neuigkeiten verkünden durfte. Lauren las missmutig im Programm, dass noch zwei solcher Unterhaltungsblöcke geplant waren. Wenn das so weiterging, würde sie nicht einmal die Bananenmousse mit Schokolade und Kirschblüteneis zum Dessert genießen können. Wie auch, wenn sie gleichzeitig dem eintönigen Monolog über die unsterblichen Werte der Firma lauschen musste.
    Eine plötzliche Unruhe erfasste ihre Tischnachbarn. Wie auf ein geheimes Kommando erhoben sich alle und verbeugten sich ehrfurchtsvoll in ihrer Richtung. Verblüfft sprang sie auf und drehte sich um. Hiroshi Yamada, der oberste Boss, CEO des Saitou-Konzerns, stand lächelnd vor ihr.
    »Dr. Griffith, ich möchte Sie gerne einem guten Freund vorstellen. Darf ich Sie kurz entführen?« Sie folgte Yamada zu einem der Tische in der Nähe des Ausgangs. Dort saß außer einer jungen Japanerin in schwarzseidenem Hosenanzug, die mit undurchdringlichem Gesicht an einer diamantbesetzten Zigarettenspitze saugte, nur ein älterer Herr. Ein Japaner, mit einer eindrücklichen Mähne aus schlohweißem Haar und feinen Gesichtszügen trotz seines ungewöhnlich athletischen Körperbaus. Sie hätte ihn für einen Künstler oder Literaturprofessor halten können, wäre nicht Yamadas tiefe Verbeugung gewesen, mit dem er ihn begrüßte.
    »Nakamura-san, erlauben Sie mir, Ihnen Dr. Griffith vorzustellen, von der wir gesprochen haben.« Und zu Lauren gewandt sagte er: »Nakamura-san ist der wichtigste Förderer unseres akademischen Nachwuchses. Seinem unermüdlichen Einsatz und seinen ausgezeichneten Verbindungen ist es zu verdanken, dass wir die weltweit besten Forscher und jungen Talente beschäftigen können.« Ein selbstloser Mäzen also , dachte sie skeptisch. Auf einen stummen Wink Nakamuras erhob sich seine Begleiterin, verbeugte sich kurz und zog sich zurück. Dann forderte er Lauren mit einladender Geste auf, sich zu setzen. Er gab ihr nicht die Hand. Er gab nie jemandem die Hand, wie sie später erfahren sollte.
    »Dr. Griffith, es ist mir eine Ehre, Sie begrüßen zu dürfen«, sagte er freundlich lächelnd in passablem Englisch. Das war offenbar das Zeichen für den CEO, sie beide allein zu lassen.
    »Nakamura-san, ich bin geehrt und überrascht. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mich sprechen wollen, hätte ich mich natürlich vorbereitet.«
    »Sie brauchten gar nichts

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