Die Probe (German Edition)
vorzubereiten. Ich wollte die Hoffnungsträgerin von Saitou Alternative Energy nur einmal persönlich kennenlernen«, antwortete er schmunzelnd. Nur der kühle, berechnende Blick wollte nicht recht zu seinem Lächeln passen.
»Sie übertreiben, Nakamura-san. Ich profitiere einfach von einem erstklassigen Team und hervorragenden Arbeitsbedingungen.«
»Ich höre, Sie sind nahe an einem Durchbruch bei der Solarzellenforschung. Nanokristalle, die einen großen Teil des Lichts in Strom umwandeln. Verzeihen Sie meine laienhafte Ausdrucksweise.«
»Ich hätte es nicht besser formulieren können. Sie sind sehr gut informiert. Ja, ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.« Unaufgefordert stellte ein Kellner zwei zierliche Sakazuki auf den Tisch, Porzellantassen, gefüllt mit Sake. Nakamura nahm eine der Tassen und prostete ihr zu:
»Lassen Sie uns auf die sonnige Zukunft anstoßen. Kampai!« Das eiskalte, süßliche Gebräu beruhigte ihre Nerven. Sie fragte sich, wer dieser Mann, vor dem sogar der CEO kuschte, wirklich war, und was er von ihr wollte. Er nippte versonnen an seinem Sake, dann warf er ihr plötzlich einen forschenden Blick zu und bemerkte: »Vielleicht hat diese Zukunft ja schon begonnen – mit Ihrer jüngsten Entdeckung.«
»Entdeckung? Welche Entdeckung?«, fragte sie verdutzt. Seine Bemerkung hatte sie völlig überrascht. Im ersten Moment begriff sie nicht, worauf er anspielte, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Probe! Sprach er von der Materialprobe, die sie heimlich verschwinden ließ? Wie konnte er davon wissen? Ihre Reaktion schien seine Neugier zu befriedigen. Er lehnte sich mit breitem Lächeln zurück und antwortete beruhigend:
»Keine Sorge, ich denke, wir werden noch früh genug von Ihrem Erfolg hören.« Aus dem Nichts tauchte plötzlich seine Begleiterin am Tisch auf und setzte sich wieder an ihren Platz. »Nun möchte ich Sie aber nicht länger davon abhalten, den schönen Abend zu genießen, Dr. Griffith. Ein Sprichwort sagt: »Shunsho ikkoku, atai senkin« - »Eine halbe Stunde eines Frühlingsabends wiegt tausend Goldstücke auf«. Das sollte uns Trost genug sein, auch wenn wir noch mehr langweilige Reden anhören müssen.« Die Audienz war beendet. Mit gemischten Gefühlen ging sie an ihren Tisch zurück.
Sie schlief unruhig in dieser Nacht, wachte mehrmals auf und war erleichtert, als es endlich Zeit war, aufzustehen. Die Müdigkeit würde sie mit Sicherheit im Büro einholen, aber es war Freitag, und das Wochenende gehörte ihr allein. Ryans Tod wirkte noch immer lähmend auf sie. Vieles war plötzlich weniger wichtig als zuvor. Bei einer Tasse starken, schwarzen Kaffees ohne Zucker versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie und Michael waren die einzigen Verwandten, sie mussten die Überführung seines Leichnams organisieren. Die Mutter der beiden Brüder lebte zwar noch, aber mit ihr konnten sie nicht mehr rechnen. Sie war an Demenz erkrankt und begrüßte jeden Mann, der sie im Pflegeheim besuchte, als Michael. Aber auch ihre Arbeit hier musste weitergehen. Sie trug die Verantwortung für ein kostspieliges Forschungsprojekt und für ein Dutzend anspruchsvolle Mitarbeiter. Und nun fühlte sie sich zusätzlich unter Druck gesetzt durch Nakamuras seltsame Bemerkung. Sie musste herausfinden, worum es ging und woher die Information stammte. Im Büro rief sie Renate zu sich. Ihr vertraute sie, mit ihr konnte sie offen reden.
»Schon wieder nüchtern? Wie war’s?«, wollte ihre Assistentin wissen, als sie zur Tür hereinkam.
»Frag nicht. Endlose Reden, aber das Essen war fantastisch. Ich hatte allerdings eine interessante Begegnung.« Sie erzählte von ihrer Unterhaltung mit Nakamura. »Kennst du diesen Typen?«
»Nein, aber ich kann mich ja mal diskret umhören.«
»Bei deiner gut informierten Freundin? Sei vorsichtig, ich will nicht, dass schlafende Hunde geweckt werden.« Renate errötete und wehrte verlegen ab:
»Freundin, Quatsch. Du wolltest doch, dass ich mich um sie kümmere. Aber Daisy kennt wirklich Gott und die Welt.« Sie zögerte, bevor sie die Frage stellte, die ihr auf der Zunge zu brennen schien: »Was ist denn an dieser Probe so geheimnisvoll?«
»Nichts, ein Experiment ist missraten – und ich will das Ergebnis untersuchen, sobald ich Zeit habe«, antwortete Lauren ausweichend. »Falls es überhaupt darum geht. Wie um alles in der Welt soll Nakamura davon Wind bekommen haben?«
»Kichi«, sagte Renate, ohne lange zu
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