Die Probe (German Edition)
vielleicht gerade deshalb, wollte keine echte Freude aufkommen. Die Sache ging zu glatt über die Bühne. Hatte sie etwas übersehen? Ärgerlich leerte sie den kläglichen Rest der winzigen Bierflasche aus der Minibar und ging ins Badezimmer. Das warme Wasser der Dusche verdrängte die Zweifel. Sie spürte die Wärme von Renates Körper und sehnte sich nur noch danach, dieses Niemandsland so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Sie musste sie anrufen.
Renate hob nach dem ersten Summton ab:
»Hey, Süße, wo hast du gesteckt? Ich hab mir Sorgen gemacht.«
»Das ist lieb von dir. Ich war in einem Funkloch, buchstäblich.« Sie fasste den öden Tag in wenigen Worten zusammen. »Wie du siehst, werde ich wahrscheinlich morgen abreisen. Aber du hast sicher interessantere Neuigkeiten?«
»Wir ziehen nach München!«, platzte sie heraus.
»Was – warum – wann?«, stammelte Daisy überrascht.
»Viele Fragen. Komm einfach so schnell wie möglich zurück, dann können wir in Ruhe darüber reden. Lauren und ich werden dort an der Uni weiterarbeiten. Sie hat schon eine wunderschöne Wohnung am Stadtrand für uns gefunden. Aufregend, was?«
»Ach, ihr wohnt zusammen«, antwortete sie, ohne ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Nicht so, Dummerchen. Zwei Wohnungen im gleichen Haus«, lachte Renate. »Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?«
»Wie kommst du auf die Idee?« Daisy atmete auf. Deutschland, Europa, immerhin schon näher an ihrem Hauptquartier in London. Sie hatte sich schon lange das Hirn zermartert, wie es mit ihr und der schönen Rapunzel weitergehen sollte. Vielleicht war dieser Umzug ein guter Anfang. Jedenfalls freute sie sich über Renates Entscheid, und sie sagte es ihr auch: »Ich freue mich für dich, und ich kann es nicht erwarten, dich zu sehen, Liebes. Ich glaube, es gibt viel zu quatschen.«
»Oh ja. Wann kommst du morgen?«
»Weiß ich noch nicht. Ich treffe mich am Morgen in Adelaide mit Charlie für den Bericht an die Behörden. Danach fliege ich zurück. Ich melde mich vorher.«
Das Gespräch hatte Wunder gewirkt. Sie war guter Dinge und verspürte plötzlich einen wahren Heißhunger. In der Bar waren schon mehrere Tische mit vorwiegend jungen Männern besetzt. Statt Musik aus dem Radio lief eine Cricket-Übertragung im Fernseher hinter dem Tresen. Die lautstarke Unterhaltung der Männer stockte, als sie eintrat. Das sportlich kurze Haar, das kurvenfreundliche T-Shirt, die hautengen Jeans und die frechen, schwarzen Stiefeletten taten ihre Wirkung augenblicklich. Nur zaghaft kamen die Gespräche wieder in Gang, als sie sich an die Theke setzte. Die feurigen Blicke im Rücken ließen sie kalt. Genussvoll verzehrte sie das dicke Omelett mit Pilzen, Käse und einer Unmenge Ketchup. Mit wenigen Schlucken leerte sie ihr Pint Coopers, doch kaum hatte sie das Glas abgestellt, tauschte es der Wirt gegen ein volles aus.
»Mit Komplimenten von den Blokes da hinten«, bemerkte er grinsend und deutete auf eine Vierergruppe besonders mutiger Jungs, die ihr Dartspiel unterbrochen hatten. Sie prostete ihnen lächelnd zu und setzte zu einem langen Schluck an, der johlend kommentiert und sofort nachgeahmt wurde. Sie war Engländerin, hatte an manchem Wochenende jeden Blödsinn mitgemacht und vertrug sehr viel Alkohol, aber sie hatte keine Lust, in ein australisches Shouting hineingezogen zu werden. Sie wusste, dass die Trinksitten hierzulande noch viel strenger einzuhalten waren, als in ihrer Heimat. Wehe dem, der mit fadenscheinigen Argumenten aus dem Teufelskreis ausbrach und sich aus dem Staub machte, ohne die nächste Runde zu schmeißen, wenn die Reihe an ihm war. Die Tatsache, dass sie eine Lady war, würde auch nicht viel daran ändern. Sie blieb an der Theke sitzen, drehte sich aber um und schaute den Männern zu, als sie wieder begannen, Pfeile zu werfen.
»Arbeiten hier eigentlich alle in der Mine?«, fragte sie den Wirt über die Schulter, nachdem sie den Gesprächen im Lokal eine Weile zugehört hatte.
»Der größte Teil, ja, außer mir«, witzelte er.
»Die Firma muss ziemlich mächtig sein in dieser Gegend.«
»Das können Sie laut sagen, Lady. Die Familien der Jungs sind auf Gedeih und Verderb von ihr abhängig und lassen nichts auf ihren Brötchengeber kommen.«
»Sie profitieren ja auch davon«, schmunzelte sie.
»Natürlich, zweifach.«
»Wie meinen Sie das?« Er lachte:
»Bei mir verkehren die Angestellten der Mine und die Grünen, die gegen alles rebellieren, was die
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