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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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das war ihnen schnell klar geworden. Es blieb nur, zu warten bis jemand die Tür öffnete und diesen Augenblick zur Flucht zu benutzen. Der Vorteil der Überraschung lag bei ihnen, aber was wollten sie einer Schusswaffe entgegensetzen? Wie konnten sie hoffen, den oder die Kerle zu überwältigen? Sie drohten ohnehin, auch ohne fremde Hilfe, demnächst zusammenzuklappen. Ihre einzige Waffe, mit der sie sich wirkungsvoll wehren konnten, lagerte in diesen Flaschen. Sie wusste, was ein paar Spritzer Schwefelsäure in einem Gesicht anrichten konnten. Sie hatte die schrecklichen Bilder aus Afghanistan noch in lebhafter Erinnerung, Fotos verätzter und erblindeter Mädchen, die es gewagt hatten, eine Schule zu besuchen. Kein Zweifel, der Inhalt dieser Flaschen war eine der grausamsten Waffen, die sie sich vorstellen konnte, aber sie hatte keine Zeit für Gewissensbisse. Der Überlebenswille war zu stark, und es eilte.
    Endlich ließ sich der geschliffene Glasverschluss öffnen. Ein stechender Geruch stieg ihr in die Nase, dass sie erschreckt zurückwich. Pete beobachtete sie kopfschüttelnd und wusste offenbar nicht, was er tun sollte.
    »Das Geschirr. Stellen Sie das Geschirr neben die Palette!«, befahl sie, und er gehorchte mechanisch. Man hatte ihr eine Keramikschüssel mit Wasser hingestellt, die längst leer war. »Jetzt helfen Sie mir mit der Flasche.« Pete stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, aber er tat, was sie verlangte. Äußerst vorsichtig begannen sie, die schwere Säureflasche zu kippen und die Schüssel zu füllen.
     
    Charlie musste sich zusammennehmen und tief durchatmen, um dem Wachmann am Tor zur Mine nicht die Faust ins Gesicht zu schlagen. Blöd grinsend und mit einer Seelenruhe weigerte er sich, irgendwelche Auskünfte über Besucher zu geben und sie aufs Gelände zu lassen. Daran änderte auch die Gegenwart des Sheriffs nichts. Ohne Durchsuchungsbeschluss hatten sie sich wie normale Fremde einzutragen und zu warten, bis sich jemand um sie kümmerte. Wertvolle Minuten gingen verloren, bis sie schließlich vom Betriebsleiter empfangen wurden.
    »Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«, fragte der scheinbar verwundert.
    »Wir haben Grund zur Annahme, dass sich zwei gesuchte Personen auf dem Gelände aufhalten oder hier festgehalten werden«, antwortete der Sheriff ohne Umschweife.
    »Festgehalten? Das ist eine ungeheure Anschuldigung ...«
    »Lass den Scheiß, Bill. Du weißt genau, wovon ich rede. Das Mädchen ist verschwunden, das vor ein paar Tagen hier angekommen ist. Pete ist ihr bis hierher gefolgt. Wir haben seinen Wagen auf dem Hügel da oben gefunden. Also, wo sind die beiden?«
    »Ich weiß wirklich nicht, wovon ...«
    »Wo ist Vidal?«, unterbrach Charlie unwirsch.
    »Wer, bitte?«
    »Der Besucher, der unmittelbar vor uns angekommen sein muss.« Charlie platzte allmählich der Kragen. Mit wütendem Blick fixierte er den Betriebsleiter, doch der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und spielte weiterhin den Unwissenden:
    »Ein Besucher. Wie Sie selbst gesehen haben, ist das hier ein großer Betrieb. Da können Sie wohl nicht erwarten, dass ich jeden Besucher persönlich kenne. Ich habe keine Ahnung, was Sie hier wollen, meine Herren.«
    »Jetzt hör mir mal zu, du Hornochse«, schimpfte der Sheriff. »Wenn ihr nicht sofort mit der Wahrheit herausrückt, fordere ich Verstärkung an, wir legen deinen Betrieb lahm und nehmen jeden Quadratzoll dieser schönen Anlage auseinander. Haben wir uns verstanden?«
     
    Der Wagen mit Vidal und seinem Mann fürs Grobe hielt neben dem Container.
    »Aufmachen!«, befahl Vidal dem Arbeiter, der sie hierher gefahren hatte. Der Mann beeilte sich, das Gestänge zu lösen und wollte die eine Hälfte der Tür aufziehen, als ihn Vidals Begleiter am Ärmel packte und grinsend auf die Seite schob, als wäre er ein störender Ast. Vidal stand ein paar Schritte hinter ihnen. Er nickte nur unmerklich und sein Begleiter zog mit der einen Hand am schweren Türflügel, in der anderen hielt er eine Pistole mit Schalldämpfer schussbereit. Auch ohne Worte wusste er genau, was zu tun war.
    Der Eingang war halb offen und er schickte sich an, ins dunkle Innere zu treten, als alles plötzlich sehr schnell ging. Der breitschultrige Mann machte einen Satz rückwärts, als hätte ihn eine Pumpgun mitten in die Brust getroffen. Er verwarf die Hände, ein Schuss löste sich, bevor die Waffe polternd in den Container fiel. Wie am Spieß brüllend rannte er blind in den

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