Die Probe (German Edition)
Erfahrung. Lauren hatte den Kontakt mit ihm stets gemieden, und das Letzte, was er von ihr erwartete, war eine Bitte um Geld. Auch Francesca war offensichtlich hellhörig geworden.
»Das ist ein schlechter Witz, oder?«
»Keineswegs, aber keine Angst, ich verlange keine Almosen.« Sie legte eine Kunstpause ein und fügte dann nüchtern hinzu: »Ich brauche eine Million Euro.«
»Ach so«, platzte er heraus. »Das ist natürlich ganz was Anderes.«
»Im Ernst, du könntest dir und der Umwelt etwas Gutes tun. Es geht um eine Investition. Meine Mitarbeiterin hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, für die es mit Sicherheit eine große Nachfrage gibt. Ich möchte ihr helfen, ein Start-up zu gründen, um die Entwicklung zu perfektionieren und zu vermarkten. Du könntest bei uns einsteigen.« Jetzt sprach sie seine Sprache.
»Was für eine Entdeckung?«, fragte er gespannt, und Francesca hielt ihr Ohr näher an den Lautsprecher.
»Kurz gesagt geht es um das neuartige Material, das ich schon erwähnt habe. Man verwendet es in flüssiger oder Pulverform, um großflächige Verschmutzungen einfach, sicher und billig zu beseitigen, zum Beispiel Ölteppiche. Das Material kann für verschiedenartige Einsätze konditioniert werden, es ist eine Art universelles Reinigungsmittel. Die Neuigkeit wird einschlagen wie eine Bombe.« Francesca warf ihm einen triumphierenden Blick zu. Steckte doch mehr dahinter, als er zuerst vermutet hatte? Auch wenn Lauren nicht gerade seine Intimfreundin war, bestand doch nicht der geringste Zweifel an ihren fachlichen Qualifikationen und ihrem Urteilsvermögen. Er traute ihr zu, das Potenzial dieser Entwicklung durchaus realistisch einzuschätzen. Eine Million Risikokapital konnte er locker aus dem Gewinn seines Brasilien-Deals finanzieren, aber er wollte nichts überstürzen. Es ging hier um ein ganz normales Geschäft, und es waren noch einige Details zu klären.
»Wie hast du dir die Transaktion vorgestellt?«
»Ich dachte an einen Kredit zu einem vernünftigen Zinssatz, mindestens drei Jahre.« Er sagte nichts, ließ sie ein wenig zappeln, bis sie etwas unsicher hinzufügte: »Wir könnten deine Anlage später in Aktien umwandeln. Du kennst dich doch mit solchen Vehikeln bestens aus.«
»Eine Wandelanleihe?« Ihr Vorschlag überraschte ihn. Sie musste sich sehr sicher sein, dass dieses Geschäft rentieren würde. Nur dann lohnte sich eine derartige Investition für einen Anleger. »Ich denke, eher nicht«, antwortete er vorsichtig. »Verstehe mich nicht falsch, aber ich bin wirklich nicht an Aktienkapital interessiert. Ein Kredit ist hingegen grundsätzlich machbar, sofern die Randbedingungen stimmen.«
»Du bist dabei?«, rief sie erfreut aus. »Wir arbeiten an einem Businessplan ...« Er unterbrach sie sofort:
»Vergiss den Plan. Das Papier interessiert mich nicht. Ich möchte mir lieber vor Ort ein Bild von den Leuten und den geplanten Fabrikationsanlagen machen. Ist das möglich?« Für ihn zählte nur, was unter dem Strich für ihn herausschaute und welche Sicherheiten es für seine Investition gab.
»Selbstverständlich zeigen wir gerne, was wir vorhaben. Ich melde mich, wenn alles bereit ist.«
Francesca hatte offenbar gehört, was sie wissen wollte. Sie verabschiedete sich in erstaunlich guter Laune bis zum Abendessen bei seinem Lieblingsitaliener. »Mit Nachtisch«, hauchte sie ihm ins Ohr, wie in den guten, alten Zeiten. Seine Freude darüber hielt sich in Grenzen, denn vorher musste er einen Zwischenbericht über Vidals Investition zusammenstellen. Der große Zampano hatte wieder einen Besuch bei Francesca angekündigt. Griesgrämig öffnete er das vorbereitete Musterdokument und begann, die fehlenden Informationen einzufüllen. Mit dem Kapitel zur aktuellen Börsenlage hatte er keine Mühe, lediglich ein paar Tabellen und Charts musste er aus dem Handelssystem kopieren. Bewertung, Performance und Risikoprofil von Vidals Anlage bereiteten ihm schon wesentlich mehr Sorgen. Aber er war ein alter Hase in diesem Geschäft. Nach einer Stunde hielt er den makellosen Bericht in den Händen, sauber und mehrfarbig ausgedruckt, und von vorn bis hinten erstunken und erlogen. Was sollte er sonst tun? Die Optionen, die er für fast vierhundert Millionen mit Vidals Geld gekauft hatte, waren zurzeit nicht einmal mehr die Hälfte wert, da der Kurs von Saitou keine Anstalten machte, wieder zu steigen. Erst der Kurssprung nach der Ankündigung der Minenerweiterung würde die Investition
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