Die Probe (German Edition)
sie felsenfest überzeugt. Es gab schlicht keine plausible Erklärung, weshalb ihr Material hier nicht mit dem Öl reagieren sollte. Sie riss sich das Headset vom Kopf und begann, auf den Einsatzleiter einzureden. Sie sah keine andere Möglichkeit, Gewissheit zu erlangen, als selbst an Bord zu gehen. Vielleicht war es ihre Entschlossenheit, ihre Zuversicht, vielleicht auch ihr blonder Charme oder der stechende Blick, es spielte keine Rolle. Jedenfalls zwängte sie sich ein paar Minuten später ins sperrige, gelbe Ölzeug und bestieg den Hubschrauber, der sie zur Nornen bringen sollte. Die drohende Schmach eines Misserfolgs trieb sie zu körperlichen Höchstleistungen, die sie sich nicht im Traum zugetraut hätte. Schon den Flug in dieser stählernen Mücke bei stürmischem Wetter hätte sie unter normalen Umständen niemals auf sich genommen. Das Schlimmste jedoch stand ihr noch bevor, als sie das Schiff erreichten. Die Nornen war nicht für die Landung von Hubschraubern eingerichtet. Wenn sie hier aussteigen wollte, musste sie sich abseilen. Wortlos und kreidebleich ließ sie sich den Tragegurt umschnallen. Ihr Herz pochte so heftig, dass sie es durch das Dröhnen des Rotors zu hören glaubte, als der Copilot die Tür zur Seite schob, die Winde ausklinkte und ihr das Zeichen zum Ausstieg gab.
»Du musst übergeschnappt sein«, begrüßte sie Charlie gereizt, als ihre Füße das Deck berührten. Er löste den Tragegurt und der Hubschrauber entfernte sich knatternd. Sie achtete nicht auf seinen Ton, sondern machte sich gleich an die Arbeit. Über die Reling gebeugt, ergriff sie den Schlauch mit beiden Händen und bat Charlie, das Ventil ganz zu öffnen. Statt den Strahl bedächtig und gleichmäßig ins Wasser zu lenken, schüttelte sie den Schlauch heftig, um eine Art Sprühregen zu erzeugen. Sofort bildeten sich einzelne Fetzen einer zähen Substanz, die wie schmutzige Kunststoffdecken auf den Wellen tanzten. Das Nanomaterial verband sich zumindest stellenweise mit dem Ölteppich, wie sie erwartet hatte.
»Wer sagt’s denn«, lachte sie triumphierend. Charlies verdutztes Gesicht entschädigte sie ein wenig für das elende Gefühl, das sich allmählich in ihrem Magen ausbreitete.
»Es funktioniert tatsächlich«, echote er albern. Das stimmte, sie hatte den Beweis erbracht, dass ihr Material das Öl binden konnte, aber diese Art der Anwendung führte nicht zum Ziel. Fieberhaft überlegte sie, wie sie die restlichen Kanister sinnvoll einsetzen könnten. »Wir brauchen eine große Brause«, bemerkte Charlie ironisch. Der Maat, der neben ihm stand und die wundersame Verwandlung mit großen Augen stumm verfolgt hatte, erwachte plötzlich zum Leben und sagte:
»Haben wir. Die Motorspritze.«
»Klar, das ist die Lösung!«, rief Renate. »Wir müssen das Material vernebeln.« Nachdem nun auch die Mannschaft der Nornen von der Wirkungsweise des neuartigen Materials überzeugt war, dauerte es keine zehn Minuten, bis sich eine orange Nebeldecke über den schmierigen Wellen auszubreiten begann. Die gleichmäßige, feine Verteilung des Materials sorgte dafür, dass sich nach kurzer Zeit ein zusammenhängender, äußerst zäher Film bildete, der den Ölteppich wirksam abschloss. Der Vorrat in den Kanistern reichte knapp, um damit eine Sperre über die ganze Breite der Bucht zu errichten. Nach zwei Stunden harter Arbeit war die Ölpest keine Gefahr mehr für die Fischfarm.
»Geschafft! Du hast es geschafft«, rief Charlie freudestrahlend und außer Atem, als sie mit der Nornen die seltsame Ölbarriere entlangfuhren. Sie antwortete nicht. »Renate?« Er drehte sich verwundert um und sah, wie sie auf der anderen Seite an der Reling hing und sich die Seele aus dem Leib kotzte. Dann setzte sie sich erschöpft hin, lehnte mit dem Rücken ans Geländer, leichenblass, aber mit einem Lächeln im Gesicht, ein glückliches Häufchen Elend. Dankbar trank sie einen Schluck Wasser aus der Flasche, die ihr einer der Männer reichte. Von den Pillen wollte sie nichts wissen. »Gut, dass du gekommen bist«, sagte Charlie, als sie sich etwas beruhigt hatte.
»Weibliche Intuition«, grinste sie müde. »Der Film hält, die Methode funktioniert. Ich kann es selbst kaum fassen.«
»Gratuliere, einen besseren Einstand kann ich mir kaum vorstellen für eure Firma. Wie seid ihr eigentlich auf den Namen Omega 33 gekommen?«
»Reiner Zufall«, antwortete sie achselzuckend. »Es musste schnell gehen, und wir fanden, Omega tönt gut in jeder
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