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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wetteifern kann.
    Der Leser erkennt, daß es sich hierbei um eine Nachahmung der Aufführungen handelt, die auf Schiffen stattfinden, wenn sie den Aequator berühren, ein Seitenstück zu der gewöhnlichen »Linien-Taufe«. Dieser Tag wird immer gewählt, um die Kinder zu taufen, die seit der Abfahrt von der Madeleinebay geboren worden waren. Einer gleichen Taufceremonie haben sich die Fremden zu unterziehen, die die Linie noch nicht passiert hatten.
    »Da kommen wir diesmal daran, sagte Frascolin zu seinen Kameraden, wir werden schon die Taufe erhalten!
    – Bleibt mir damit vom Leibe! ruft Sebastian Zorn mit lebhafter Empörung.
    – Ja, mein alter Baßkratzer, erwidert Pinchinat, da gießt man uns aus einem großen Eimer ungeweihtes Wasser über den Kopf, setzt uns auf schaukelnde Bretter, von denen wir in Wasserkufen fallen, und dann erscheint der Herr Meeresgott der Tropen mit seinem Gefolge von Possenreißern, um uns das Gesicht gemüthlich einzutheeren!
    – Sie werden doch nicht glauben, ruft Sebastian Zorn, daß ich mich dieser Harlequinade unterwerfe!…
    – Das wird nicht zu umgehen sein, sagte Yvernes. Jedes Land hat seine Sitten, und wer es besucht, muß sich ihnen unterwerfen…
    – Nur dann nicht, wenn man ein unfreiwilliger Gast darin ist!« erklärt der unbeugsame Chef des Concert-Quartetts.
    Nun, er hätte sich beruhigen können wegen dieser Harlequinade, mit der sich manche Schiffe beim Passieren der Linie ergötzen. Er braucht auch das Erscheinen des Tropengottes nicht zu fürchten. Ihn und seine Kameraden wird niemand mit Seewasser taufen, sondern mit Champagner der besten Marke. Ebenso wird es niemand einfallen, ihnen den Aequator zu zeigen, den man schon vorher auf das Objectiv des Fernrohres gezeichnet hatte. Dergleichen paßt für Matrosen auf der Fahrt, nicht für die ernsten Leute von Standard-Island.
    Das Fest findet am Nachmittag des 5. Juli statt. Außer den Zollwächtern, die ihren Posten nie verlassen dürfen, haben alle Beamten Urlaub erhalten. In der Stadt und in den Häfen ruht jede Arbeit – selbst die Schrauben bewegen sich nicht. Die Accumulatoren enthalten eine solche Menge Volts, daß diese für die Beleuchtung und die elektrischen Wagen ausreichen. Standard-Island liegt deshalb aber nicht völlig still, eine Strömung führt es nach der Linie, die beide Erdhälften scheidet. Gesänge und Gebete steigen in den beiden Kirchen zum Himmel und die Orgeln erklingen mit voller Kraft. Im Park, wo man sich allerlei Sportübungen hingiebt, herrscht nachher eitel Lust und Freude. Heute sind alle Classen hier vermischt. Die reichsten großen Herren und Walter Tankerdon an der Spitze verrichten im Golf und Lawntennis wahre Wunder. Wenn die Sonne lothrecht unter den Horizont gesunken und die nur fünfundvierzig Minuten dauernde Dämmerung zu Ende ist, wird das Feuerwerk prasselnd emporsteigen, und eine mondlose Nacht wird dieses glänzende Schauspiel unterstützen.
    Im großen Saale des Casinos wird das Quartett in der erwähnten Weise, und zwar von Cyrus Bikerstaff’s eigner Hand, getauft. Der Gouverneur bietet ihm die schäumenden Gläser und der Champagner fließt in Strömen. Fleißig schlürfen die Künstler den edlen Cliquot und Röderer. Sebastian Zorn hat gewiß keine Ursache, sich über diese Taufe zu beklagen, die ihn in keiner Weise an das salzige Wasser erinnert, mit dem seine Lippen nach der Geburt benetzt wurden.
    Die Pariser bringen ihren Dank für alle Freundlichkeiten dadurch dar, daß sie die besten Stücke ihres Repertoires aufspielen. Das siebente Quartett in E-
Op.
59 von Beethoven, das vierte Quartett in A-moll,
Op.
10 von Mozart, das vierte Quartett in Des-
Dur,
Op.
17 von Haydn und ein herrliches Werk von Mendelssohn. Die Zuhörer erweisen sich im höchsten Grade dankbar, man drängt sich an den Thüren und erwürgt sich fast im Saale, die Musikstücke müssen zwei-auch dreimal wiederholt werden, und der Gouverneur überreicht den Vortragenden dafür eine goldne, mit Diamanten eingefaßte Medaille, die auf der einen Seite das Wappen von Milliard-City zeigt, auf der andern in französischer Sprache die Inschrift:
     
    Dem Concert-Quartett gewidmet
    von der Gesellschaft, den Stadtbehörden und der
    Einwohnerschaft von Standard-Island.
     
    Wenn alle diese Ehrenbezeugungen dem unversöhnlichen Violoncellisten nicht zu Herzen gehen, kommt das entschieden daher, daß ihm ein beklagenswerther Charakter eigen ist, was seine Kameraden ihm auch öfters ins Gesicht

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