Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
hatte. »Bist du bereit, deine Ideale so billig zu verkaufen?«

    »Ganz und gar nicht! Ich hab mich lediglich wieder auf sie besonnen, Theresa. Und sag jetzt nicht, ich hätte dir jemals etwas vorgemacht! Du hast von Anfang an gewusst, mit wem du es zu tun hast - und trotzdem meine Nähe gesucht, ungeachtet all meiner Warnungen.«
    Diese Aussage verschloss ihr den Mund, tagelang. Was sollte sie dem Mann auch antworten, der sie derart hintergangen hatte, aber dessen Kind sie trug?
    Natürlich war auch Marlein Teil des Komplotts, eine der eifrigsten Anhängerinnen der Kirche der Liebe, wie sich herausstellte, darauf erpicht, jeden von Theresas Schritten zu beobachten, um alles so schnell wie möglich an Adrian zu berichten. Witwe, wie Theresa zunächst angenommen hatte, war sie keineswegs, sie lebte vielmehr seit Jahren mit ihrem Mann in keuscher Beziehung, um den Geboten der guten Christen zu genügen, die die Ehe strikt ablehnten.
    Wo und wie konnte Theresa einen Ausweg finden?
    Der Besuch im Judenviertel, zu dem sie sich in ihrer Not entschloss, brachte sie nicht weiter. Saul ben Mose war ein freundlicher, magerer Mann mit schweren Lidern und einer Halbglatze, der äußerst erleichtert schien, dass das Paar seine Hilfe bislang nicht in Anspruch genommen hatte; seine Frau Deborah schien so verschüchtert, dass sie kaum den Mund aufbrachte. Die drei Kinder der beiden, von denen Hanna ihr vorgeschwärmt hatte, bekam sie erst gar nicht zu Gesicht.
    Sie tauschten ein paar Höflichkeiten aus, dann fragte Saul mit dünner Stimme, ob Adrian van Gent vorhabe, weiterhin im Pelzhandel zu expandieren.
    »Adrian?«, wiederholte Theresa ungläubig. »Da müsst Ihr Euch irren! Er lehnt jeden Fleischgenuss ab und würde doch niemals die Felle toter Tiere …«

    Gerade noch rechtzeitig biss sie sich auf die Lippen, bevor sie auch noch die guten Christen erwähnte. Plötzlich fügten sich in ihrem Kopf bislang verstreute Mosaikteilchen zu einem bestürzenden Ganzen. Adrian musste sich ja selbst nicht die Finger schmutzig machen. Dafür hatte er Willem. Genau das war es, was Adrian für seinen Neffen vorgesehen hatte: den Juden, die ihm so sehr zuwider waren, Konkurrenz zu machen.
    »Nein, nein, ich irre mich gewiss nicht«, sagte Saul. »Der Flame hat schon viele Felle aufgekauft. Überall, wo man hinkommt, ist er bereits gewesen.«
    Jetzt blieb Theresa nur noch, Unverbindliches zu murmeln und sich schnell zu verabschieden. Sie lief nach Hause, mit einer Wut im Bauch, die immer weiter wuchs. Dort angekommen, rannte sie die Treppe hinauf, packte die Marderdecke, riss sie vom Bett und trampelte zornentbrannt auf ihr herum.
    Stunden vergingen, bis Willem sich endlich zeigte. Doch dann ließ sie ihm kaum Zeit zum Luftholen, sondern schrie ihm ihre Wut und ihre Verzweiflung ins Gesicht.
    »Du sollst den Pelzhandel für Adrian übernehmen, richtig?«
    Willem sah sie erschrocken an.
    »Woher weißt du …«
    »Ich weiß es eben. Deshalb hat er dich nach Köln gelockt. Merkst du denn nicht, was dein Onkel vorhat?«
    »Pelze sind ein lohnendes Geschäft und passen gut …«
    »Die Felle toter Tiere - und das aus dem Mund eines guten Christen, der sich vor Milch ekelt und weder Eier noch Fleisch anrühren will, um bloß nicht aus Versehen eine gefangene Seele zu verspeisen! Was ist dann mit den Seelen jener Marder und Biber, jener Eichhörnchen und
Füchse, denen man die Haut abgezogen hat? Wie scheinheilig ihr doch seid!«
    Er starrte unglücklich zu Boden. »Sie sind bereits tot, und Adrian meint …«
    »Adrian meint! Adrian sagt! Hast du eigentlich noch einen eigenen Kopf zum Denken? Wo ist mein Willem geblieben, der mit seinen Stoffen die Menschen kleiden und wärmen wollte? Ich erkenne dich nicht wieder!«
    »Er hat schon so viel investiert. Ich kann ihn jetzt nicht enttäuschen.« Willem klang wie ein trotziges Kind.
    »Eines Tages wird er dich damit erpressen, weißt du das? So wie mich mit dem ›Friedhof der verlorenen Kinder‹. Dein Onkel hat gedroht, mich beim Trierer Magistrat anzuschwärzen, wenn ich nicht die Magistra beschwöre, ihre Predigten gegen die guten Christen einzustellen.« Sie stieß ein knurrendes Lachen aus. »Natürlich ist sie nicht darauf eingegangen, warum sollte sie auch! Und trotzdem hat sie mir noch einmal die Hand gereicht. Wie dumm ich doch war, sie abermals zurückzuweisen!«
    Sein Gesicht verfiel bei ihren Worten. »Du willst wieder zurück ins Kloster? Aber das darfst du nicht! Ich brauche dich doch

Weitere Kostenlose Bücher