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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihn energisch wieder hinaus.
    »Du tust ihr doch nichts an?«, sagte der Schmied säuerlich. »Wenn ihr oder dem Kind etwas zustößt, wirst du mich kennenlernen!«
    Viele, viele Stunden ging es so, und erst, nachdem Theresa eine ganz kleine Dosis Mutterkorn eingesetzt hatte, kam schließlich das Kind.
    Es war winzig, blau und leblos. Nicht einmal die Nottaufe konnte sie ihm noch spenden: ein kleiner Junge, gestorben vor der Zeit.
    Jonata versank in Tränen. Trotzdem legte Theresa ihr das Kleine, das sie in ein weiches Tuch gewickelt hatte, in den Arm, und die Mutter wiegte es sanft. Hermann, der Schmied, konnte und wollte nicht fassen, was die Wehmutter ihnen jetzt zu sagen hatte: dass manche Kinder im Mutterleib abstarben, weil sie krank oder missgebildet waren, dass der Mutterkuchen sie nicht genügend versorgt oder eine mehrfach um den Hals gewickelte Nabelschnur sie erstickt hatte.
    »Mein Sohn ist aber nicht missgebildet. Und die Nabelschnur hatte er auch nicht um den Hals.« Die Stimme des Schmieds war laut geworden.
    »Siehst du nicht, wie winzig klein er ist?« Theresa hielt ihm tapfer stand. »Er hat ja noch nicht einmal fertige Fingernägel! Jonata hat ihn ausgestoßen, weil er schon in ihrem Leib nicht mehr lebte. Sonst hätte er sie vergiftet und schließlich auch getötet.«
    »Das behauptest du doch nur, um deinen Kopf zu retten.« Immer drohender baute Hermann sich vor Theresa auf. »Ich will deine Gräuelmärchen nicht länger hören. Mein Weib ist klein und zart. Wie sollte sie da ein großes
Kind bekommen? Ich glaube vielmehr, du hast meinen Sohn auf dem Gewissen. Mit deinen verdammten Zaubermitteln hast du ihn umgebracht. Weil du deine Kunst nämlich nicht richtig verstehst. Oder mit dem Teufel im Bunde bist.«
    »Lass sie in Frieden, Hermann!«, bat Jonata flehend. »Sie hat doch ihr Bestes getan!«
    »Ihr Bestes? Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren, Frau? Unser Sohn ist tot, das hat sie zustande gebracht! Womöglich ist sie gar keine Wehmutter, diese Dahergelaufene, die außer deiner Neslin keiner im Viertel richtig kennt. Wieso hast du nicht wie beim ersten Mal die alte Berte gerufen, die schon so viele Kinder geholt hat? Dann würde unser Junge jetzt noch leben.«
    »Weil Berte stinkt und säuft.« Jonata rannen Tränen über die Wangen. »Und ich es nicht ertragen hätte, wenn sie mich noch einmal berührt.« Sie wandte sich an Theresa. »Könntest du ihn vielleicht für den Sarg herrichten? Ich bringe es einfach nicht über mich.«
    Theresa nickte und nahm ihr das Kind behutsam aus den Armen.
    »Du wirst ihn nie mehr anfassen!« Der Schmied entriss ihr den leblosen kleinen Körper und presste ihn besitzergreifend an seine breite Brust. »Hinaus aus unserem Haus, du verfluchtes Weib! Ich werde dafür sorgen, dass dir ab sofort alle Türen in Köln verschlossen bleiben. Darauf kannst du dich verlassen.«
    Theresa griff nach ihrem Korb und ging steifbeinig hinaus. Alles tat ihr weh, die Beine, der Rücken, der Schoß. Es war beinahe, als hätte sie selbst das tote Kind aus ihrem Körper ausgestoßen.
    Unterwegs blieb sie stehen und begann plötzlich am ganzen Leib zu zittern. Die Kälte kroch unter ihre Kleidung,
wollte sie bei lebendigem Leib in einen Eisblock verwandeln. Dann aber spürte sie erneut die federzarten Bewegungen des Ungeborenen, sanft und doch ausdauernd, als ob es ihr Mut machen wollte. Ein Lächeln stahl sich in ihr angestrengtes Gesicht.
    Mein kleiner Verbündeter, dachte Theresa bewegt. Dieses Mal soll dir nichts Böses zustoßen, das verspreche ich dir!

INGELHEIM - APRIL 1163
    … nos interventu et petitione dominae hildegardis venerabilis abatissae - auf untrag und Bitte der ehrwürdigen herrin hildegard, Übtissin …
     
    Hildegards Augen waren auf einmal so feucht geworden, dass das Weiterlesen kaum noch möglich war. Beinahe wäre ihr die heiß ersehnte Schutzurkunde des Kaisers aus den flatternden Händen gefallen.
    »Darauf habt Ihr lange gewartet.« Die Stimme des Kaisers klang freundlich. »Doch nun wird Eure Geduld reich belohnt, hochwürdige Mutter. Die Urkunde enthält alles, was Ihr gefordert habt: die bereits von Erzbischof Arnold festgelegten Privilegien des Klosters auf dem Rupertsberg, einschließlich der freien Vogtwahl. Ich bin sogar noch um einiges weitergegangen. Kein Reichsbeamter darf auf den Besitz Eures Konventes jemals Abgaben erheben. Das Kloster, die frommen Schwestern sowie deren gesamter Besitz werden meinem besonderen kaiserlichen

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