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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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so sehr, Theresa!« Bittend streckte er die Hände nach ihr aus.
    Theresa machte einen Schritt zurück, weil sie seine Berührung jetzt nicht ertragen konnte. Da spürte sie es zum ersten Mal: eine zarte Bewegung in ihrem Bauch, wie das Schlagen kleiner Flügel.
    Das Kind - es hatte sich bewegt!
    »Was ist mit dir?«, rief Willem. »Du siehst auf einmal aus, als wärst du gar nicht mehr hier.«
    Sie musterte ihn stumm. Er war ein Träumer, ein schwankendes Rohr im Wind, das sich nur allzu leicht beherrschen ließ, vermutlich niemals dazu fähig, Adrians mächtigen
Schatten abzustreifen und etwas Eigenes zu wagen. Und dennoch verband sie beide das Schönste, was zwei Menschen miteinander teilen konnten. Wie traurig sie war, dass sein Verhalten ihr den Mund verschloss. Allzu lange freilich würde sie ihr Geheimnis nicht mehr für sich behalten können. Über kurz oder lang würde ihr Körper sie verraten. Bis dahin musste sie eine Lösung gefunden haben.
    »Ich bin sehr müde«, sagte Theresa, froh um den kurzen Aufschub, der ihr noch blieb. »Lass uns schlafen gehen!«
    Doch am anderen Morgen überfielen sie die quälenden Gedanken aufs Neue. Rastlos ging sie von Raum zu Raum, nachdem Willem wortkarg aufgebrochen war. Sie hatte ihr Gefängnis lediglich vertauscht, wenngleich das Haus, in dem sie dank Adrians Gnade lebten, ungleich komfortabler war als der verrottete Kerker, aus dem Gero sie befreit hatte.
    Wo ihr Bruder wohl stecken mochte? Was hätte sie jetzt nicht alles darum gegeben, wenigstens seine frechen Sprüche hören zu können!
    Ihre innere Unruhe hielt an, bis ein paar Tage später eine aufgeregte Frau an die Tür klopfte.
    »Schnell!«, rief die Frau. »Du bist doch Wehmutter?«
    Theresa nickte befangen.
    »Dann beeil dich … meine Schwester … das Kind kommt …«
    Im Laufschritt, mit dem schweren Korb voller Geburtsutensilien in ihrer Rechten, erfuhr Theresa unterwegs alles Notwendige. Es ging um Neslin, die ihr drittes Kind zur Welt bringen sollte, aber auf einmal von unerklärlichen Ängsten befallen war. Unwillkürlich kam Theresa dabei ihre Mutter in den Sinn, die die dritte Schwangerschaft mit dem Tod bezahlt hatte. Dennoch bemühte sie sich, Zuversicht zu verbreiten, und Neslins Schwester Margret
sog die mutmachenden Worte begierig wie ein Schwamm in sich auf.
    »Warum hat sie nicht die hiesige Hebamme gerufen?«, fragte Theresa, als sie vor dem Haus in der Bovenmurenstraße angekommen waren.
    »Eine hässliche alte Vettel mit schmutzigen Händen und Haaren auf den Zähnen.« Margret verzog angeekelt das Gesicht. »Das Kleine muss doch bei seinem Eintritt in die Welt nicht als Erstes des Teufels Großmutter zu Gesicht bekommen!«
    Die Eröffnungswehen hatten bereits vor einiger Zeit eingesetzt, und als Theresa die Gebärende untersuchte, fand sie alles zu ihrer Zufriedenheit vor. Der Muttermund war bereits bis auf einen Saum vollständig geöffnet, und da sie wusste, dass Neslin, die Frau des Gewandschneiders, schon zweimal geboren hatte, stellte sie sich auf eine eher kürzere Spanne ein.
    »Wird es sterben?« Aus weit geöffneten Augen starrte Neslin sie an. »Dann musst du es noch unbedingt taufen, damit es nicht in die Hölle fährt!«
    »Was redest du da für einen Unsinn? Das Kleine liegt richtig, du bist eine erfahrene Mutter und stehst im allerbesten Saft. Du wirst eine einfache Entbindung haben.«
    »Das glaube ich nicht.« Neslin begann zu weinen, schielte dabei aber die ganze Zeit zu ihrer Schwester. »Es wird ein böses Ende nehmen, das spüre ich.«
    Schließlich wusste sich Theresa keinen anderen Rat, als Margret zu den beiden kleinen Buben zu schicken, die in der Küche warteten, und sich neben Neslin zu setzen.
    »Jetzt aber endlich heraus damit!«, sagte sie streng. »Mit dieser Zentnerlast auf deiner Seele kannst du dein Kind gar nicht zur Welt bringen.«
    Die Tränen flossen immer heftiger.

    »Gut möglich, dass es ein Bankert ist«, flüsterte die Frau des Gewandschneiders. »Von dem rothaarigen Spielmann, mit dem ich mich letzten Sommer leichtsinnig in den Rheinauen vergnügt habe. Königin der Nacht, so hat er mich genannt und für mich ein eigenes Lied geschrieben. Wenn mein Franz das erfährt, wird er mich zum Teufel jagen.«
    »Das ist dem Kleinen, das jetzt ins Leben will, ganz und gar egal. Du bist seine Mutter, oder nicht?« Neslin nickte erschrocken. »Das ist das Einzige, worauf es jetzt ankommt.«
    »Aber wenn es auch ein Rotschopf wird …«
    »Und wenn schon!

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