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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Augen die Ausgeburt des Bösen.«

    Er wandte sich zum Fenster, ließ einige Augenblicke verstreichen. Der Anblick des Domgartens, in den der Frühling voll Einzug gehalten hatte, war immer wieder dazu angetan, ihn zu besänftigen und zu ergötzen. An welch geschützten Platz es ihn doch verschlagen hatte! Wenn er es klug anfing, war dies ein Platz, der als Sprungbrett für noch höhere Ziele dienen konnte.
    Als er sich wieder zu Clewin herumdrehte, war sein Ausdruck gelassen.
    »Er versteckt seinen Bocksfuß hinter frommem Gerede«, sagte er. »Das macht ihn umso gefährlicher, weil es viele anzieht, besonders die Weiber. Die guten Christen rühmen sich, keine Besudelung des Fleisches zuzulassen, fühlen sich bereits auf Erden als Heilige, die sich aller Unzucht enthalten. Auf diese Weise verschafft sich Adrian van Gent seinen Zulauf. In Wahrheit jedoch verhält es sich ganz anders: Sie huren und sündigen alle, da bin ich mir ganz sicher.« Seine Augen funkelten. »Er und seine Anhänger sind wie ein Geschwür, das aus Köln herausgebrannt werden muss, damit die Stadt wieder frei atmen kann.«
    »Ihr wollt ihnen den Prozess machen, Dompropst?« »Ja, das werde ich, und zwar im Namen des Erzbischofs und Erzkanzlers für Italien, der mir dafür Handlungsfreiheit erteilt hat. Wenn Rainald von Dassel in einigen Monaten in seine Stadt zurückkehrt, soll er sie wieder sauber und fromm vorfinden. Eine tüchtige Verbündete wird uns dabei zur Seite stehen.«
    Dudo deutete auf das Schreiben, das auf dem Tisch vor ihnen lag.
    »Zum Pfingstfest hat die Magistra vom Rupertsberg ihre Predigt zugesagt. Aus anderen Städten ist bereits die Kunde zu mir gedrungen, wie tief sie mit ihren Worten die
Herzen der Menschen zu erregen vermag, was ihr gewiss auch in Köln gelingen wird. Unsere Arbeit ist einfacher zu verrichten, wenn die ganze Stadt hinter uns steht.«
    »Die Prophetin vom Rhein kommt zu uns nach Köln?« Clewin schien sehr beeindruckt.
    »Ich kenne sie seit langen Jahren«, sagte Dudo beiläufig. »Sie kann durchaus ihren eigenen Kopf haben, doch im Kampf gegen diese Höllenbrut waren wir uns stets einig. Um das Schwert der Gerechtigkeit noch treffsicherer zu führen, bräuchte ich allerdings weitere Einzelheiten. Wollt Ihr Euch für mich noch einmal auf gewissenhafte Suche begeben? Damit kann ich nur einen Mann wie Euch beauftragen, der mein Vertrauen genießt.«
    »Wenn es der großen Sache dient - verfügt gern über mich!« Clewin verneigte sich leicht vor dem Älteren.
    »Der Aufenthaltsort des Flamen, der sich Diakon schimpft, ist uns inzwischen bekannt. Doch es gibt da auch noch einen Neffen, Willem van Gent, der eines Tages sein Nachfolger in der Teufelssekte werden soll. Gut möglich, dass er noch immer mit seiner Kebse zusammenlebt, einer gewissen Theresa von Ortenburg, die schon einmal dicht vor dem Scheiterhaufen stand, nachdem sie aus dem Kloster geflohen war. Ja, sogar ehemalige Nonnen und Adelige hat Adrian van Gent in seinen teuflischen Bann gezogen«, rief Dudo, als er sah, dass Clewins Blick zweifelnd wurde. »Findet heraus, ob und, wenn ja, wo in Köln sich diese beiden aufhalten! Ich gehe davon aus, dass es unweit des alten van Gent sein wird.«
    Er lächelte dünn.
    »Willem ist die Achillesferse seines Onkels, ein schwacher, kraftloser Mann, in jeder Beziehung von ihm abhängig. Allerdings liebt Adrian ihn wie einen Sohn. Haben wir erst einmal diesen Willem, ist auch Adrians Stärke gebrochen,
und die restlichen Mitglieder der Kirche der Liebe werden wie ein verirrter Fischschwarm in unser Netz strömen.«

    Am Anfang war es Theresa nicht aufgefallen, so sehr war sie mit sich selbst beschäftigt gewesen, doch irgendwann konnte sie es nicht länger übersehen: Das ganze Viertel schien sich gegen sie verbündet zu haben. Hermann, der Schmied, schien seine Drohung wahr gemacht und gegen sie aufgehetzt zu haben, wen immer er zu fassen bekam. Die Leute schauten weg, wenn sie ihr auf der Straße begegneten, Mütter zogen ihre Kinder näher zu sich heran. Mehr als einer kreuzte die Finger zum Abwehrzauber, sobald sie ihm entgegenkam.
    Jonata, der sie noch ein paarmal einen Besuch abstattete, weinte, als Theresa sie eines Tages direkt darauf ansprach.
    »Hermann ist wie von Sinnen«, sagte sie. »Ich hab es ihm verboten, aber er hört nicht auf mich. Anzeigen will er dich, hat er herumgeschrien, anzeigen als Mörderin unseres Sohnes. Ich weiß, dass dich keinerlei Schuld trifft. Unser Kind war bereits tot.

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