Die Prophetin vom Rhein
Stoff sich an ihnen rieb. Außerdem hatte das Kleine begonnen, sich munterer zu bewegen, oft zu den unmöglichsten Zeiten, und trat dann kräftig zu. Sie konnte nur hoffen, dass es heute ruhiger sein würde.
Plötzlich schien sich etwas Dunkles auf sie zu senken. Wie hatte sie sich nur überreden lassen können, Adrians Haus noch einmal zu betreten? Aber Willem hatte so
dringlich geklungen, dass sie sich überwunden und schließlich doch eingewilligt hatte.
Seitdem er wusste, dass Theresa ein Kind erwartete, schlich er umher wie ein geprügelter Hund. Nur für einen kurzen Augenblick war nach ihrer Eröffnung etwas in seinen rätselhaften Augen aufgeblitzt, das sie an Freude oder zumindest Überraschung erinnert hatte, dann jedoch verschloss sich sein Gesicht, erstarrte zur Maske, die er bis heute nicht wieder abgelegt hatte. Kein einziges Mal hatte er sie gefragt, wann das Kind zur Welt kommen solle, als wären Schwangerschaft und Geburt ganz und gar ihre Angelegenheit, was sie abwechselnd wütend und traurig machte.
Dennoch gab es in ihr noch immer Hoffnung.
Vielleicht musste einfach mehr Zeit verstreichen, bis Willem sich an den Gedanken werdenden Lebens, das er auch noch selbst gezeugt hatte, gewöhnen konnte, beides Vorstellungen, die ihm von Kindesbeinen an als sündhaft und verabscheuungswürdig eingetrichtert worden waren. Er wird lernen, dich zu lieben, versprach Theresa immer dann dem Ungeborenen, wenn sie wieder einen von Willems wunden Blicken auf sich spürte. So, wie er auch gelernt hat, mich zu lieben.
Dennoch waren ihre Beine schwer, als sie sich auf den Weg hinüber ins Albansviertel machte, und je näher sie Adrians Haus kam, umso bleierner wurden sie. Dabei hätten diese letzten Maitage strahlender nicht sein können. Es war so warm, dass man den nahenden Sommer schon spürte, und ein wolkenloser Himmel spannte sich blank wie Email über den Dächern. Die Türen vieler Werkstätten und kleiner Läden, an denen sie vorbeikam, standen weit offen; Stimmen, eifriges Hämmern und Feilen drangen nach draußen.
Gerade noch rechtzeitig sprang Theresa zur Seite, als jemand den Inhalt seines Nachtgeschirrs aus dem Fenster kippte, und sie zog die Nase kraus, weil es beim Weitergehen nach verfaulten Abfällen stank, die man wohl schon vor Tagen auf die Gasse geworfen hatte.
Dann hatte sie ihr Ziel erreicht.
Breitbeinig stand Adrian in der Tür, untadelig in dunkles Tuch gewandet, das Gesicht bleich und angespannt.
»Sei gegrüßt, Schwester in Gott!«, sagte er. »Das Haus des Vaters steht allen offen, die um Einlass ersuchen.«
Theresa folgte ihm schweigend.
Einiges hatte sich verändert, seit sie vor einigen Wochen zum ersten Mal hier gewesen war. Im Versammlungsraum fehlten die zahlreichen unbequemen Hocker, stattdessen stand dort ein großer Eichentisch, um den ein paar Stühle gruppiert waren. Während Adrian ohne weitere Erklärung nach nebenan verschwand, stellte sie sich hinter einen, die Lehne fest umklammernd, was den Bauch verdeckte und ihr gleichzeitig einen gewissen Halt gab.
Eine kluge Entscheidung, denn als Adrian nach Kurzem zurückkam, stockte ihr der Atem.
An seiner Seite ging Magota, die er allerdings mehr zog und zerrte, gehüllt in ein rotes Kleid, das ihr wie eine grelle Kopie von Adas früherem Prachtgewand schien. Grob stieß er Magota voran, sodass sie stolperte, sich im langen Rock verhedderte und beinahe zu Boden stürzte. Sie musste heftig mit den Armen rudern, um einigermaßen das Gleichgewicht zu halten.
»Der Teufel hat sich in dieser Frau eingenistet«, rief Adrian. »Das Sündenkleid zeigt ihre Schuld. Sie muss Reue zeigen und Buße tun, um wieder in die Gemeinschaft der Kirche der Liebe aufgenommen zu werden.«
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Theresa begriff.
»Du bist schwanger?«, fragte sie.
Magota presste die Lippen aufeinander und starrte zu Boden.
»Und du wirst dafür sorgen, dass keine Seele erneut im Fleisch gefangen bleibt«, schrie Adrian, zu Theresa gewandt. »Beende diese Qual. Beende sie rasch! Das verlange ich von dir.«
»Ich werde Magota erst einmal in Ruhe untersuchen«, sagte Theresa nach einer Weile. »Dann weiß ich mehr.« Was konnte sie noch vorbringen, um Zeit zu gewinnen? Das Kleine versetzte ihr einen kräftigen Tritt, als scheine es ihre wachsende Ratlosigkeit zu spüren.
»Geht nach nebenan! Dort seid ihr ungestört.«
Magota atmete scharf aus, ein Geräusch, das Theresa wie eine Klinge durch den Körper fuhr. Niemals
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