Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Nichts. Gar nichts.
    Theresa musterte Willem ernst, die Hand auf dem Rücken der Grauen, die laut zu schnurren begann, kaum spürte sie die vertraute Berührung.
    »Ich denke, du bist mir einige Erklärungen schuldig«, sagte sie dann. »Was ist mit dir, Willem van Gent? Wer bist du?«
    Er drehte den Kopf zur Seite, als könne er ihren Anblick auf einmal nicht mehr ertragen. Als er sie wieder anschaute, waren seine unterschiedlichen Augen dunkel vor Schmerz.
    »Du willst es wirklich wissen?«, fragte er.
    »Das will ich.« Theresa war stolz, dass ihre Stimme fest klang, obwohl sie innerlich zitterte.
    »Dann komm morgen Abend zum Haus am Brand! Dort sollst du alles erfahren.«

    Auf dem Bett lag das rote Kleid, doch bevor sie es anzog, hatte Theresa anderes zu tun. Da gab es noch das kleine Tongefäß mit Rosenöl, das Eva ihr eines Tages mit einem Gruß von Schwester Benigna zugesteckt hatte. Eine Kostbarkeit, die bis heute unangetastet geblieben war. Als sie das Wachssiegel aufbrach und den süßen Duft einsog, wurden ihre Augen feucht.
    Benigna und Eva - beide Frauen hatte sie geliebt und verehrt und doch verloren. Würde sie mit dem, was sie heute vorhatte, ihren Platz auch in Melines Haus aufs Spiel setzen?
    Theresa tupfte sich einen Tropfen Rosenöl auf die Kehle, einen weiteren zwischen die Brüste. Dann schlüpfte sie in das Kleid. Die Seide auf der Haut zu spüren, kam ihr vor
wie eine lang vermisste Liebkosung. Der kleine Spiegel, den sie noch aus der Ortenburg gerettet hatte, war inzwischen zu blind, als dass man viel hätte erkennen können. Aber sie mochte den aufregenden Gegensatz zwischen ihrem dunklen Haar und dem leuchtenden Rot, den er ahnen ließ.
    Stundenlang hatte sie sich den Kopf darüber zermartert, wie sie der Wehmutter ihre Abwesenheit zur späten Stunde erklären sollte. Doch Zufall oder Schicksal war ihr zu Hilfe gekommen. Meline war zu einem ihrer geheimnisvollen Gänge aufgebrochen, bei denen sie die Lehrmagd nicht dabeihaben wollte.
    Theresa war schon halb aus der Tür, als sie die Muhme rufen hörte. Unentschlossen blieb sie stehen. Sich ihr in diesem Kleid zu zeigen, würde alles verraten. Was aber, wenn die hilflose Alte ihre Hilfe dringend brauchte?
    Sie betrat die Kammer. Die Muhme lächelte zufrieden, als sie sie erblickte.
    »Schönes Kind«, murmelte sie. »Das Schätzlein wird Augen machen!« Sie deutete auf ihren leeren Becher. »Wasser. Und dann lauf schnell zu ihm!«
    Wie gern hätte Theresa das getan, freien Herzens und voller Ungestüm, doch zu schwer lastete die Ungewissheit auf ihrer Seele. Was würde sie im Haus am Brand erwarten? Sollten ihre ärgsten Befürchtungen sich bewahrheiten? Ihre Füße wollten ihr auf einmal kaum noch recht gehorchen. Sie musste sich regelrecht zum Weitergehen zwingen.
    Als sie schließlich angelangt war und an die Tür schlug, war ihre Kehle vor Aufregung trocken. Eigentlich hatte sie Magotas mürrisches Schafsgesicht erwartet, doch es war Willem, der ihr öffnete, blass und mit schweren Lidern, als habe er geweint.

    Sie sah die Überraschung in seinen Augen, als er ihr ungewöhnliches Kleid bemerkte, doch er sagte nichts, sondern führte sie schweigend ins Haus. Im Erdgeschoss gab es einen riesigen Raum, beinahe eine Art Saal, der gut für Feste und zum Tanzen getaugt hätte, beides Vorstellungen, die Theresa so gar nicht mit dem gestrengen Adrian van Gent in Einklang bringen konnte.
    »Er ist nicht da«, sagte Willem, als könne er ihre Gedanken lesen. »Natürlich nicht! Sonst hätte ich dich doch niemals hierherbestellt.«
    Eine schmale Treppe führte nach oben in einen Gang, an dem mehrere Zimmer lagen.
    »Hier lebe ich.«
    Er öffnete eine Tür. Die karge Zelle eines Einsiedlers, war das Erste, was Theresa durch den Kopf schoss. Bett, Truhe, Tisch, zwei Stühle, mehr barg der Raum nicht.
    »Setz dich!«, bat er, und da auf den Stühlen Pergamente lagen, nahm sie vorsichtig auf der Bettkante Platz.
    Willem begann ruhelos auf und ab zu gehen.
    »Wir dürfen nicht länger zusammen sein«, begann er unvermittelt. »Ich bin nicht gut für dich, Theresa, ich kann dich sogar in große Gefahr bringen - das Letzte, was ich jemals wollte!«
    »Ich liebe dich«, erwiderte sie ruhig. »Und du liebst mich. Was könnte daran falsch sein?«
    »Alles! Wir kommen aus Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten …«
    »Die Wahrheit, Willem!«, sagte sie leise.
    »Also gut.« Er setzte sich neben sie. »Meine Eltern starben, als ich noch

Weitere Kostenlose Bücher