Die Prophetin von Luxor
geschlafen haben.« Er seufzte schwer. »Ich bin zu spät gekommen; ich konnte nichts mehr unternehmen. Meneptah und seine Mutter waren bei Verwandten gewesen. Sie haben es nur ihrem Gott zu verdanken, daß sie wach und auf dem Dorfplatz waren, als sich der Wind gedreht hat und die Funken in Richtung Dorf geflogen sind.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Du hast ja gesehen, daß die meisten Überlebenden ihre Haare oder Augenbrauen verloren und Brandblasen haben. Die mit den schweren Verbrennungen sind gestorben, was eine Gnade ist. Wir konnten ihnen nicht helfen.«
Cheftu blickte auf seine Hände, die im Fackelschein formlos unter dem Wasser wirkten. »Meine Hände machen mir Sorgen.
Sie sind mein, unser Leben, damit verdiene ich unser Brot.«
Er zog eine Hand aus dem Wasser und betrachtete sie genauer. »Die Verbrennungen gehen nicht tiefer als bis unter die oberste Hautschicht. Mit etwas Öl müßten sie bald wieder heilen.«
»Was ist mit deinem Rücken?«
»Das ist egal. Ich habe keine Medizin mehr.« Er zuckte mit den Achseln und verzog in derselben Sekunde das Gesicht. »Bring mir Öl und eine Feder. Du streichst mich mit Öl ein, dann können wir nur noch das Beste hoffen.« Er hörte auf, den schwarzen Ruß von seiner Haut zu schrubben, und zog sich mühsam aus dem Becken. Noch bevor sie aus dem Wasser gestiegen war, hörte sie ihn nebenan schnarchen.
Jemand klopfte an die Tür, und Chloe öffnete, aus dem Schlaf gerissen und mit nur halb geschnürtem Gewand. Vor ihr stand ein königlicher Leibgardist, der Chloe mit einem knappen Nik-ken eine Schriftrolle überreichte und ihr auftrug, sie sofort an den edlen Herrn Cheftu, Erpa-ha, weiterzugeben.
»Er wurde verletzt und braucht Ruhe.«
Die Anweisungen lauteten, die Botschaft unverzüglich zu öffnen, erklärte ihr der Leibgardist. Also kehrte sie widerstrebend ins Schlafzimmer zurück, kniete neben Cheftu nieder und küßte ihn liebevoll auf die Stirn. »Geliebter, du mußt aufwachen.« Sie berührte ihn an der Schulter und zuckte erschrocken zurück, als er aufsprang und losfluchte, weil ihm die Schulter weh tat. Sein Haar stand in versengten Büscheln vom Kopf ab, und seine Miene war zutiefst entrüstet; als er Chloe sah, legte er sich beruhigt wieder hin.
»Hab geträumt, daß mich jemand aufgeweckt hat«, murmelte er schon wieder im Halbschlaf.
»Ich habe dich geweckt. Das ist für dich. Vom Prinzen.« Sie streckte ihm den Papyrus hin.
Das Kinn auf eine Hand gestützt, las er schweigend die Botschaft durch. »Ramoses ist zum König gerufen worden und hat sich die Bitte des Prinzen angehört, daß die Heuschrecken verschwinden sollen. Thut schreibt, Ramoses hätte keine Gegenleistung dafür verlangt, daß die Plage aufhört. Er hat seine Bitte um Freiheit nicht wieder vorgebracht. Im Gegenteil, die Sache schien ihm leid zu tun.« Cheftu rollte den Papyrus zusammen und ließ das Gesicht in das ölgetränkte Laken sinken. Die Temperatur im Zimmer stieg mit jeder Minute, und Chloe spürte, wie ihr Gewand an ihrer Haut zu kleben begann.
»Wie geht es dir heute morgen?« fragte sie ruhig. »Ich wußte nicht, ob ich deinen Rücken zudecken oder lieber frei lassen sollte.«
Cheftu drehte sich zu ihr um, so daß genau ein Auge über den Rand der Liege hinweg zu sehen war. »Hast du mich mit Öl eingerieben?«
»Ja.«
»Dann können wir nur darauf warten, daß der Körper von selbst zu heilen beginnt. Ich sollte mir unbedingt ein Amulett fertigen; vielleicht eine Bitte an Sechmet, den Schmerz zu lindern«, sinnierte er.
»Würde ein weiteres Bad helfen?«
»Das wäre himmlisch«, er fegte eine vorwitzige Heuschrecke von der Liege, »aber dadurch würde die Haut so weich, daß mir jeder Verband wie Lehm am Rücken kleben würde. Und jedesmal, wenn man die Wunde reinigt, müßte man ihn wieder abreißen.«
»Das ist barbarisch!« befand Chloe. »Gibt es keine andere Lösung?«
»Es gibt keine Lösungen! Genau das würde ich jedem meiner Patienten raten. Mehr steht auch mir nicht zur Verfügung. Es gibt kein bewährtes >Heilmittel< für Brandwunden.« Chloe goß noch etwas Öl auf seinen Rücken, und Cheftu seufzte, als es die Wunde kühlte und vorübergehend den Schmerz linderte.
»Was würde ich jetzt für eine gute Flasche Cognac geben«,
sagte er.
Sie lächelte seinen Hinterkopf an. »Cognac habe ich keinen, aber die Frau in der Küche hat mir eine Flasche mit irgendwas mitgegeben, als sie gehört hat, daß du Verbrennungen
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