Die Prophetin von Luxor
und Mehl zurückgekehrt. Obwohl sie nicht die Sprache der Frauen sprach, verständigten sie sich in der internationalen und zeitlosen Sprache aller kulinarischen Vagabunde. Mehl und Eier landeten in einer Suppe, einer Art Mischung aus Hühnerklößen und verlorenem Ei, wie Chloe fand, und schließlich grillten sie Heuschrecken und servierten sie mit Honig, ein bittersüßer Leckerbissen für die Apiru.
Chloe war der Auffassung, daß sich der Heuschreckengeschmack mit Schokolade besser übertünchen ließ, doch sie empfand eine gewisse niederträchtige Schadenfreude, wenn sie die kleinen Monster zerbiß, von denen sie seit Tagen rund um die Uhr terrorisiert wurde; es geschah ihnen ganz recht, daß sie ihnen jetzt Beine und Flügel ausriß, bevor sie gebraten wurden.
Als die Menschen von den brennenden Feldern heimkamen, wo Ägypter Seite an Seite mit den Apiru gekämpft hatten, sorgte Chloe dafür, daß sie erst Wasser zum Waschen und Trinken und dann Suppe und Heuschrecken bekamen. Drei Tage lang arbeitete sie, ohne Cheftu zu Gesicht zu bekommen, allerdings hatte sie Ehuru beauftragt, darauf zu achten, daß er etwas Suppe aß. Ein weiteres Dorf am Rande des großen Gutes war in Flammen aufgegangen, und auch dort verarztete Cheftu die Opfer, während Chloe die Versorgung der Überlebenden organisierte. Bald gab es nur noch Heuschrecken zu essen, doch wenigstens war das Wasser aus dem Brunnen wieder trinkbar.
Die Tiere fielen nicht mehr vom Himmel, dafür lagen sie immer noch meterhoch überall, wo einst Gras gewachsen war. Stoisch trampelte sie durch die Insekten, das Gesicht zu einer ständigen Maske des Ekels verzerrt. Das Lärmen der ständig mahlenden Kiefer bildete eine Art statisches Hintergrundrauschen; sie hörte es nicht mehr, doch ihr war klar, daß das Geräusch ständig da war.
Daß sie in Ohnmacht gefallen war, begriff sie erst, als sie aufwachte und einem rußigen, wütenden, stolzen Hemu-neter- Gemahl ins Gesicht blickte. Sie hatten alles getan, was in ihren Kräften stand; es war Zeit heimzukehren.
Thutmosis’ Palast war verlassen, abgesehen von den Sklaven und den allgegenwärtigen Heuschrecken.
Gedankenverloren stampften Chloe und Cheftu auf dem Weg zu und durch ihre Gemächer die Tiere in den Boden. Cheftu war graugesichtig unter der Rußschicht, weigerte sich aber, schlafen zu gehen, ehe er sich gewaschen hatte. Chloe fürchtete, daß er ertrinken würde, wenn er alleine im Bad blieb, also führte sie ihn an das Badebecken und half ihm, Schurz und Sandalen zu lösen, bevor sie ihn auf einen Stuhl setzte und die Heuschrecken aus dem Wasser fischte.
»Es ist weder frisch noch warm«, warnte sie Cheftu, doch der krächzte nur in der erbärmlichen Kopie eines Lachens.
»Alles ist sauberer, als ich es bin, und Hitze habe ich bis an mein Lebensende genug abbekommen.« Er ließ sich gleichgültig ins Wasser sinken, und Chloe fing an, Ruß und Schmutz abzuwaschen. Sein Körper war mit Kratzwunden überzogen, und die schwarzen Haare auf seinen Armen waren versengt, so daß nur noch die Wurzeln wie kleine Stoppeln aus der Haut ragten. Sein Haar war an den merkwürdigsten Stellen und in lauter kleinen Flecken abgebrannt, auf denen kleine, sich schälende rosa Hautflecken zurückgeblieben waren. Als Chloe sein
Gesicht wusch, bemerkte sie die Bartstoppeln und gab sich alle Mühe, nicht die zornigroten wunden Stellen zu reizen, die aussahen wie von Klauen und Fingernägeln geschlagen. Seine Hände waren von Hitzeblasen bedeckt.
Chloe fragte sich, wie er mit derart verletzten Händen die Kranken hatte verpflegen können. Die Fingernägel waren rissig und brüchig und die kleinen schwarzen Härchen auf seinen Fingern verkohlt. Seine Augenbrauen waren abgesengt, doch er hatte keine schweren Verletzungen erlitten.
Dann sah sie seinen Rücken. Offenbar hatte er damit zum Feuer gestanden, dachte sie. Die Blasen waren prall mit Wasser gefüllt und sahen so aus, als wäre ihm ein brennender Ast auf die Schulter gefallen, der ihn oben am Rücken und am Hintern getroffen hatte. Cheftu war im kühlen Wasser eingeschlafen, schreckte aber augenblicklich hoch, als Chloe ihn berührte.
»Was ist passiert, Cheftu? Wie war es für dich? Erzähl es mir«, bat sie leise.
Er stöhnte und flüsterte leise, denn auch seine Lungen hatten etwas abbekommen. »Alles hat geschrien, Menschen sind in Flammen herumgerannt und haben nach Rettung gesucht. Die Häuser sind fast explodiert, so daß alle gestorben sind, die noch
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