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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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hätte sie durch jede Schlange, die sie verschlungen hatte, an Länge gewonnen. Sie reichte durch den ganzen Raum. Thut war froh, daß die Höflinge bereits geflohen waren. Von diesem Vorfall brauchte man in Waset nichts zu erfahren! Er sog scharf die Luft ein, während er beobachtete, wie Ramoses sich zu der Schlange hinabbeugte und sie am Schwanz packte.
    Dann hielt Ramoses nur noch einen knorrigen Stab in der Hand. Thut spürte einen Schweißfilm am Leib. Es war eine entsetzliche Vision gewesen.
    Nur daß Ramoses’ Stab zuvor lediglich ein drei Ellen hoher Holzstab mit Knubbeln und leichten Windungen gewesen war.
    Jetzt war er kerzengerade und strahlend bunt mit einem bronzenen Knauf, der unangenehm an eine Brillenschlange erinnerte und Ramoses’ Kopf um eine ganze Elle überragte.
    Thut erhob sich und verließ den Saal. Die Audienz war beendet.
    WASET
    Sie bestiegen das Schiff am frühen Morgen, während der Sonnengott Amun-Re Flecken in der Farbe von Orangensorbet an den Himmel malte. Chloe hörte die frühmorgendlichen Gesänge der Priester, während die ersten tastenden Lichtfinger den weißen Tempel erstrahlen ließen und seinen Schatten über das Wasser legten. Sie stand allein bei ihrem Gepäck.
    Basha würde sie nicht begleiten. Hatschepsut, ewig möge sie leben!, hatte ihr ausrichten lassen, daß Basha in Avaris zu ihnen stoßen würde; sie hatte noch andere Aufgaben zu erledigen, ehe sie Waset verließ. Zwei Wachen warteten neben Chloe, und auch wenn die Schwerter in den Scheiden steckten, war Chloe überzeugt, daß die beiden sie zücken würden, sollte sie ihre Meinung ändern. Man hatte sie verbannt.
    Ihr Leinenumhang hielt kaum die morgendliche Kühle ab, und sie zwang sich, nicht mit den Zähnen zu klappern, während sie so dastand und auf Waset blickte. Am Flußufer herrschte bereits reges Treiben, Matrosen und Sklaven luden die am Morgen eingelaufenen Schiffe aus. Sie hörte viele Sprachen, von denen sie einige als Babylonisch, Kallistaenisch, Retenisch und, wie sie hätte schwören können, Griechisch erkannte. Die schmalen Straßen der Rekkit füllten sich allmählich mit Frauen auf dem Weg zum Markt, Sklaven, die eilig Besorgungen für ihre Herren erledigten, und Kindern auf ihrem Weg in die Tempelschule. Fast wie in jeder anderen Stadt, zu jeder anderen Zeit, in fast jeder anderen Kultur, dachte Chloe. Abgesehen davon, daß sie Statuen anbeten und die meiste Zeit halbnackt herumlaufen, sind sie wirklich wie wir.
    Von Cheftu hatte Chloe heute morgen weder Schurz noch Kragen gesehen. So ließ sie sich von den Wachen auf das Schiff helfen.
    Es war groß: Auf dem Deck waren mehrere Zeltkabinen aufgebaut, zusätzlich zu dem Kabinenblock in der Mitte. Hoch über ihnen flatterte die Standarte Pharao Hatschepsuts, eine gestickte blaue Kartusche ihres Thron-Namens auf weißem Grund.
    Offenbar würde Cheftu nicht mit ihnen reisen, begriff Chloe, als sie vom Kai ablegten. Während die Matrosen den Anker lichteten und die schweren Flachsseile lösten, mit denen die Segel gehalten wurden, fragte sie sich, ob Cheftu sie, seinen Verbannungsgrund, absichtlich mied. Niemand nahm von ihr Notiz, also ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und schaute auf die strahlend grünen Palmen, Tamarisken und Sykomoren, die das Ufer säumten und zu den Häusern der Adligen führten. Sie fragte sich, welches davon wohl dem edlen Herrn Cheftu gehören mochte.
    Dann endete die breite Pflasterstraße, die am Nil entlang durch Waset führte, und das Ufergebiet wurde ländlicher. Felder erstreckten sich in die Ferne, und vielköpfige Familien trieben Ochsen oder Esel an, die Räder der Shadufs zu drehen und mehr Wasser aus dem Nil zu pumpen. Chloe spürte die wärmende Sonne in ihrem Rücken, deshalb wechselte sie auf die Backbordseite des Schiffes, wo die Wüste und verlassene Bauten vor ihrem Auge vorbeizogen.
    Bis zum Mittagessen hatte sie nicht ein bekanntes Gesicht an Bord entdeckt. Ein Diener reichte ihr gebratenes Wild und etwas von dem zwischen den Zähnen knirschenden Brot, das man im alten Ägypten aß. Sie war überzeugt, daß es nur noch ein paar Monate dauern würde, bis dieses Brot ihr sämtliche Zähne abgeschliffen hatte. Sie verspeiste ihr Mahl, warf danach Brot und Knochen in den Fluß und schauderte, als lange, grünliche Schatten das Wasser zum Brodeln brachten.
    Krokodile.
    Seti, der Kapitän, näherte sich ihr, als die Sonne nahe dem Zenit stand, und riet ihr dringend, Schatten zu suchen. Sie ließ sich zu

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