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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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hinein.
    Garibaldi hob die Augenbrauen. »Sie zweifeln also an den Worten der Bibel?«
    »Meine Mutter glaubte an das Wort, aber sie mißtraute den Übersetzungen.« Catherine zog die Schublade des Nachttischs auf und nahm die Gideon-Bibel heraus. Sie schlug ›Deuteronomium, 32/18‹ auf: »›An den Fels, der dich gezeugt hat, dachtest du nicht mehr, du vergaßest den Gott, der dich geschaffen hat.‹ Vater Garibaldi, das ursprüngliche hebräische Wort für Beschaffen hat< bedeutet ›in den Wehen liegen‹. Ich glaube, die Männer, die diese Stelle übersetzt haben, fanden die Vorstellung, daß Gott wie eine Frau in den Wehen liegt, nicht ganz richtig. So wurde die ursprüngliche Bedeutung durch Interpretation verändert.«
    Garibaldi sagte nichts, aber er nickte nachdenklich. »Ähnliche Beispiele finden sich auch im Neuen Testament«, fuhr Catherine fort. »Paulus wurde als ›Diakonos‹ bezeichnet, das hier als ›Diakon‹ übersetzt wird.
    Phoebe war auch ein ›Diakonos‹, aber in den meisten Übersetzungen wird sie zu einer ›Gehilfin‹. Meiner Meinung nach ist es offensichtlich, daß die von Männern stammenden Übersetzungen aus späterer Zeit der wachsenden männlichen Dominanz in der Kirche Rechnung getragen haben.«
    »Könnte sein«, räumte Garibaldi ein, »aber ich bin der Ansicht, daß unsere katholische Kirche die Frauen nicht schlecht behandelt. Vergessen Sie nicht, daß die Katholiken die Mutter Gottes verehren.«
    »Die Verehrung von Maria und die Behandlung von Frauen sind zwei ganz verschiedene Dinge, Vater Garibaldi. Ich weiß noch sehr gut, daß ich auf der katholischen Schule zu hören bekam, als Mädchen könne ich nicht alle sieben Sakramente empfangen. Ich wollte es nicht glauben und lief weinend nach Hause.
    Aber meine Mutter erklärte mir, daß die Priesterweihe ein Sakrament sei und daß Mädchen nicht zu Priestern geweiht werden können.«
    »Nun ja, das ist…«
    »Vater Garibaldi, ich war eine überzeugte Katholikin und hatte den sehnlichen Wunsch, als Meßdiener am Altar zu stehen. Aber nur die Jungen durften das, obwohl ich wußte, daß einige hinter dem Rücken des Priesters den Abendmahlwein tranken und andere wenig fromme Späße trieben. Ich hätte so etwas nie getan, aber als Mädchen durfte ich ja keine Meßdienerin sein!«
    »Ich habe diese Vorschriften nicht gemacht«, erwiderte Garibaldi.
    »Bei der Kreuzigung umstanden nur Frauen das Kreuz, Vater Garibaldi! Frauen nahmen den Gekreuzigten ab und sorgten für ein würdiges Begräbnis, Frauen hielten die Totenwache, während sich die Apostel aus Angst um ihr Leben versteckten. Als Jesus auferstanden war, erschien er als erstes einer Frau. Ich frage Sie: Warum haben die Männer später alles an sich gerissen?« Garibaldi hob die Hände. »Bitte lassen Sie mich wiederholen, ich stehe auf Ihrer Seite.«
    »Das können Sie nicht. Wenn es um das katholische Dogma geht, dann befinden wir uns in unterschiedlichen Lagern.«
    »Das sehe ich nicht so. Alles, was Sie gesagt haben, klingt für mich nicht bedrohlich. Ich habe mich zum Beispiel auch nie gegen die Priesterweihe von Frauen ausgesprochen.«
    »Erinnern Sie sich, daß ich von einem alten Rechtsanspruch gesprochen habe? Ich will etwas deutlicher werden. In den sechziger Jahren konzentrierte sich meine Mutter bei ihren Untersuchungen auf das Neue Testament. 1970 veröffentlichte sie einen Artikel mit der Frage: ›War Maria Magdalena die Frau von Jesus?‹ Ihre Gedanken riefen ein paar Wellen hervor, aber noch keinen Sturm. Die Theologen fanden nichts dabei, die Forschungen meiner Mutter weiterhin zu ignorieren. Dann, 1973, veröffentlichte sie eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel: Maria Magdalena, die erste der Apostel. Da brach die Hölle los.«
    Garibaldi nickte. »Ich kenne das Buch. Es stand auf dem Index.«
    »Sie haben es also nie gelesen.«
    »Im Gegenteil, ich habe es sehr aufmerksam gelesen.« Er lächelte. »Damals war ich im Priesterseminar und mußte noch viel über Gehorsam lernen.«
    »Der Grund für die Aufregung liegt auf der Hand«, sagte Catherine. »In den früheren Arbeiten hatte sich meine Mutter mit Frauen und ihren Rollen als Frau beschäftigt. Auch der Gedanke, daß Maria Magdalena die Frau von Jesus gewesen sei, erregte die Gemüter nicht sonderlich, denn meine Mutter gab Magdalena eine traditionell weibliche Rolle. Mit dem ›Apostelbuch‹ überschritt sie jedoch die Grenze des Erlaubten.
    Sie hatte gewagt, einer Frau die Aufgabe eines

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