Die Prophetin
wir die Überreste eines Skeletts gefunden‹ sagte Achmed Sayed, der ägyptische Kulturminister. ›Der Boden hier ist salzhaltig, und das Klima ist trocken. Deshalb sind Haare und Stoff noch erhalten. Wir sind der Meinung, es handelt sich um eine Frau. Eine erste Untersuchung des Skeletts läßt darauf schließen, daß die Frau lebend in den Brunnen hinabgelassen wurde. Man hatte ihr die Hände mit Lederriemen gefesselt‹ ›Wollen Sie damit sagen‹, fragte der Reporter, ›daß man die Frau lebend begraben hat?‹ ›Es sieht so aus.‹
»Lebend begraben…«, wiederholte Garibaldi und bekreuzigte sich. »Dona nobis pacem.«
›Herr Minister, glauben Sie, daß die Schriftrollen, die Dr. Alexander gestohlen hat, in diesem Brunnen gefunden wurden?‹ >Ja, das nehmen wir an. Der Korb, den Dr. Alexander hier gefunden hat, und der, spä-
ter mit Steinen gefüllt wurde, ist mit rötlichbraunen Fasern bedeckt, die wir auch auf dem Skelett festgestellt haben. Wir haben die Fasern untersuchen lassen. Sie waren ursprünglich purpurrot und sind mit Mu-rexid gefärbt, das aus Schnecken gewonnen wird. Es war das kaiserliche Purpur des römischen Reichest Catherines Herz schlug schneller. Eine Frau, die man lebend begraben hatte! War es Amelia, Perpetua oder vielleicht sogar Sabina?
»Eine christliche Märtyrerin«, hörte sie Garibaldi murmeln. ›Wir werden vermutlich mehr wissen, wenn der Brunnen völlig freigelegt istx, sagte Minister Sayed. >Vielleicht finden wir unter den Steinen den Rest des Skeletts und Hinweise auf die Schriftrollen, beziehungsweise Anhaltspunkte für das, was Dr. Alexander hier gefunden hat.‹
»Du meine Güte«, sagte Garibaldi. »Was um alles in der Welt haben Sie gefunden?«
Catherine griff nach der blauen Tasche und holte den Notizblock heraus. »Wir müssen uns an die Arbeit machen«, sagte sie. »Bitte überprüfen Sie, ob wir uns ins Internet einloggen können.«
»Ich dachte, Sie wollten sich der Polizei stellen.«
»Ich habe es mir anders überlegt«, erwiderte sie wie in Trance. »Es gibt einen neuen Namen, nach dem wir suchen müssen -Satvinder. Das ist jemand, den Sabina in Indien kennengelernt hat. Eine neue Spur.«
»Aber…«
Sie deutete stumm auf den Fernsehapparat. Man zeigte die Skelettknochen mit den Lederfesseln in Groß-
aufnahme. Garibaldi nickte und ließ das Computermodem die neue Nummer wählen. Die Verbindung kam diesmal zustande. »Wir sind Online!« rief er.
»Darf ich?« fragte sie, und er überließ ihr seinen Platz an der Tastatur.
»Was haben Sie vor?«
»Ich möchte etwas Neues probieren.« Sie tippte und blickte gespannt auf den Monitor.
FTPERROR
KÖNNEN NICHT MIT FTP SERVER VERBINDEN. SORRY! ALLE LEITUNGEN (75) SIND
BESETZT. BITTE SPÄTER VERSUCHEN.
Catherine suchte im Notizbuch nach einer Nummer und tippte dann: ftp.uni-stuttgart.de KEIN ZUGANG UNTER DIESER NUMMER
»Versuchen Sie es mit dem WAIS-Verzeichnis«, sagte Garibaldi, der hinter ihr stand und mit der Maus klickte.
KEIN WAIS-ZUGANG KONFIGURIERT!
»Wir machen etwas falsch«, sagte Catherine ungeduldig und
klickte auf ÖFFNEN und tippte dann:
>http://sipparorinst.uchi-cago.edu/oi/DEpr/RA/ABZU.htlmx
»Was ist das?« fragte Garibaldi.
»Ein Inhaltsverzeichnis aller Arbeiten über archäologische Quellen im Nahen Osten, die auf Internet verfügbar sind. Ach du meine Güte. Auch diese Nummer ist besetzt!«
Catherine tippte: ›http://odyssey.lib.duke.edu/papyrus/‹ und klickte ›ENTER‹.
ALLE LEITUNGEN BESETZT
»Wir sind offenbar nicht die einzigen, die heute abend Informationen über alte Schriftrollen suchen«, sagte Garibaldi. »Die Medien sorgen dafür, daß sich jeder, der einen Computer und ein Modem besitzt, im Internet über ›Schriftrollen‹ informiert.«
»Versuchen Sie es noch einmal«, riet Garibaldi, und Catherine tippte:
›http://www.umich.edu/papyrology/home.html‹
Papyrologie Home Page
»Geschafft!« rief Catherine und ließ sich das Inhaltsverzeichnis anzeigen.
Garibaldi pfiff leise: »Das sind ganz schön viele Papyri…«
Sie klickte auf die blau unterlegte Überschrift: INSTITUTIONEN
›SPEZIALSAMMLUNGEN‹
»Es sind nicht so überwältigend viele, wie es aussieht. Man hat die Texte in Unterverzeichnissen aufgelis-tet. Wir suchen die griechischen.« Sie klickte auf ein Symbol. »Dann wollen wir die Jahre 100 v. Chr. bis 300 n. Chr.« Sie klickte.
Garibaldi runzelte die Stirn. »Das wird trotzdem eine Weile dauern. Wir können uns
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