Die Prophezeiung
nicht.
Er drehte sich zu Katie um. »Jemand hat offenbar dafür gesorgt, dass die Datei vernichtet wird, wenn sie vom Massenspeicher geöffnet wird.« Er deutete auf ein Icon in dem Verzeichnis, das einen winzigen Geier zeigte. »Ein simples Programm, das auf der Speicherkarte integriert war.«
Katie schüttelte den Kopf. Von Computern verstand sie ungefähr so viel wie von den Opern, in die sie ihre Mutter immer mitgeschleppt hatte. »Aber warum konnte ich mir die Bilder auf der Kamera noch ansehen?«
Robert nahm seine Brille ab und putzte sie sorgfältig. »Ich glaube, hier wollte jemand einfach nur blind zerstören. Ob es ihm wirklich um gerade diese Bilder ging …« Er zuckte mit den Achseln.
Katie fuhr sich durch die dichten schwarzen Haare. »Verdammt!« Sie ging in dem kleinen Zimmer auf und ab. »Wir müssen wissen, wo Ben vor seinem Zusammenbruch war. Ich habe ihn vor der Vorlesung am See getroffen. Da war er auch schon total verdreckt und absolut neben sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das von dem Zeug kam, das er normalerweise zu sich nimmt. Da war etwas anderes im Spiel.«
Julias Bruder wiegte den Kopf. »Ja«, sagte er. »Ich weiß. Etwas ist vorgefallen, was ihm Angst machte.«
Katie stutzte. »Hast du ihn auch getroffen?«, fragte sie nach. »Hat er dir etwas erzählt?«
»Nein.« Robert schaltete den Laptop aus und seufzte. »Oder doch, wie man’s nimmt. Ich war vorhin auf dem Weg ins Seminar, als Benjamin mir entgegengestürzt kam. Er hat mir etwas in die Hand gedrückt, was überhaupt nicht zu ihm passt. Ein Blatt mit einer Formel.«
»Eine Formel?«
Robert rückte die Brille gerade und dann strich er sich über die Stirn genau an der Stelle, wo Harry Potter die Blitznarbe hatte. »Er wollte wissen, was diese Formel bedeutet.«
»Seit wann interessiert sich Ben für Mathematik? Er sagt immer, Mathematik ist eine Wissenschaft mit hundert Unbekannten.« Katie stellte sich an den Balkon und starrte aus dem Fenster zum See hinaus und dann hinüber zum Ghost. »Was war es denn für eine Formel?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer.«
Katie fuhr herum und starrte Robert verdutzt an. »Du?«
»Etwas stimmt nicht mit ihr.«
»Aber du bist unser Mathe-Guru.«
»Bin ich nicht. Ihr denkt nur alle zu kompliziert. Mathematik ist im Grunde eine primitive Wissenschaft. Nicht schwerer, als ein Buch zu lesen.«
»Na klar und die Erde ist und bleibt eine Scheibe.« Katie grinste und erhob sich. »Also, was ist? Zeigst du sie mir, diese geheimnisvolle Formel?«
Robert beugte sich nach hinten und zog ein kariertes Blatt unter einem Papierstapel hervor, der auf der Fensterbank lag. Es zeigte Schmutzflecken und war an einer Seite eingerissen.
»Bitte. Vielleicht wirst du ja schlau daraus.« Er grinste und Katie konnte nicht anders, sie tat es ihm nach, als ihr Blick auf eine kompliziert aussehende Folge von Ziffern, Buchstaben und Zeichen fiel.
»Äh ja«, sagte sie. »Verstehe.«
»Eben.« Robert legte das Blatt gelassen beiseite. »Hör mal, was du wissen musst: Erstens – Benjamin war total aufgeregt, was diese Formel betraf. Er meinte, er sei der Lösung eines Geheimnisses auf der Spur. Ich habe ihn nicht ernst genommen. Und damit kommen wir zu zweitens.«
Aber sie kamen nicht mehr zu zweitens, denn in diesem Moment stürmte David zur Tür herein. »Hier seid ihr«, sagte er. »Habt ihr die Durchsage nicht gehört?«
»Was für eine Durchsage?« Robert runzelte die Stirn.
»Dean Walden hat eine Versammlung in der Mensa einberufen. In fünf Minuten. Es geht um Benjamin und es ist wirklich wichtig.«
Katie und Robert wechselten einen Blick. Robert faltete das Blatt zusammen und steckte es sich in die Hosentasche. »Sieht so aus, als ob ich dir zweitens erst später erklären kann«, sagte er bedächtig.
Sie waren tatsächlich die Letzten, die die Mensa betraten. Welche Bedeutung der Dean dem ganzen Vorfall zuwies, zeigte die Tatsache, dass sich die Studenten aus allen Jahrgängen hier versammelt hatten.
»Wo seid ihr denn gewesen?«, flüsterte Julia.
»Auf Roberts Zimmer«, erwiderte Katie und seufzte genervt, als Chris grinsend fragte: »Zusammen?«
Sie schob sich neben Robert in die Bank. Der ignorierte wie immer alle anderen und starrte nach vorn ans Mikropult, wo Richard Walden etwas in ein schwarzes Notizbuch kritzelte.
Katie sah sich um und ihr Blick fiel auf Tom, der etwas weiter unten saß. Er wirkte furchtbar nervös und angespannt, rutschte auf seinem Platz hin und her
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