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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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wenn sie der Rucksack nicht geschützt hätte.
    Vielleicht fühlte es sich so an, wenn einen Schüsse trafen. Aber tot war sie ganz offensichtlich nicht. Nur ihr Kopf dröhnte abartig.
    Ihr Körper gab nach. Sie presste sich auf die morschen Holzbohlen, von denen sie soeben noch sicher gewesen war, sie würden durchbrechen. Von unten durchdrang Feuchtigkeit ihre Kleidung, von oben tropfte Wasser auf sie herab.
    »Wir müssen von der Brücke runter«, hörte sie Robert. »Es taut und die Eiszapfen lösen sich. Die sind so spitz und scharf wie Schwerter.«
    Wie war es möglich, dass ausgerechnet Robert, der kleine Robert mit diesen nachdenklichen Augen hinter seiner Harry-Potter-Brille, plötzlich die Führung übernahm? Und – sie nicht widersprach?
    Vielleicht, weil er dir gerade das Leben gerettet hat?
    Weil er dir seinen Rucksack über den Kopf gelegt hat, obwohl er doch nicht wissen konnte, dass der Eiszapfen ausgerechnet dich treffen würde?
    Vorsichtig befreite sie sich und sah sich um. David lehnte mit dem Rücken am Felsen. Ihn hatte das Eis nicht treffen können, weil der Überhang ihn schützte. Aber nicht so Robert. Er war die ganze Zeit dicht neben ihr gewesen. Der Eiszapfen hätte genauso gut auf ihn fallen können. Aber er hatte ihr den Rucksack überlassen.
    Zum ersten Mal konnte sie Julias Sorge um den jüngeren Bruder verstehen. Robert hatte nicht wissen können, wessen Leben mehr gefährdet gewesen war. Er hatte Katie geschützt, weil sein eigenes Leben keine Bedeutung für ihn hatte. Weil er keine Angst vor dem Tod hatte. Er war nicht hier, um zu überleben.
    Okay, Katie, jetzt wirst du wirklich seltsam. Wahrscheinlich hat der Eiszapfen doch deinen Kopf getroffen. Jeder Mensch hängt am Leben, außer er ist total depressiv, psycho oder schizophren.
    All das traf auf Robert nicht zu. Nein, er hatte vermutlich in Lichtgeschwindigkeit den Fallwinkel des Eisbrockens analysiert und berechnet, dass sein Leben in Sicherheit war, während sie …
    »Mann, danke, Robert. Das war echt knapp.«
    Er nahm die Brille ab und wischte sie trocken. Sein Gesicht sah nackt ohne sie aus, aber seltsamerweise viel älter. Nun konnte man sich tatsächlich vorstellen, dass er fast achtzehn war. Ohne Kommentar wandte er sich wieder David zu und seine Hand, schmaler als die eines Mädchens, schob sich durch den Spalt, in dem Davids Fuß steckte. Alle Überlegungen, die Katie zuvor durch den Kopf geschossen waren, lösten sich in nichts auf, als er sagte: »Oh Mann, David, was hast du mit deinen Schnürsenkeln veranstaltet? Hast du da etwa einen gordischen Knoten reingeflochten?«
    Langsam hob sich der Nebel und immer öfter schafften es Sonnenstrahlen, das Grau zu durchdringen. Der Schnee auf den umliegenden Bergen reflektierte ihr Licht. Katie suchte in ihrer Jackentasche nach der Sonnenbrille. Es dauerte, bis sie sie fand. Ihr war warm und sie hätte einen Liter Wasser auf einmal austrinken können. Sie zerrte am Reißverschluss ihrer Jacke, der klemmte, als sei er eingerostet.
    Sie hatten David zwischen sich genommen und von der Brücke gebracht. Doch als sie auf der anderen Seite in Sicherheit waren und er sich bückte, um den Schuh wieder anzuziehen, verzog sich sein Gesicht. Er stöhnte kurz auf.
    Robert musterte ihn besorgt. »Das sehen wir uns besser an. Setzt dich mal hier auf den Felsen.« Er wischte den Schnee weg, der sich mit einer dicken Schicht aus Geröll verbunden hatte.
    David ließ sich auf einen großen Felsblock fallen. Er ragte wie eine Steinbank aus der Wand hervor.
    »Leg dein Bein hoch und zieh den Socken aus«, befahl Katie.
    »Es ist halb so schlimm.«
    »Das will ich selbst sehen, sonst kannst du gleich hierbleiben.«
    Davids nackter Fuß – mit Fußnägeln, die so akkurat geschnitten waren, als machte er Werbung für Pediküre – ruhte auf der Steinbank.
    Katie begutachtete die Wunde und musste David recht geben. Die Schramme reichte zwar von der Kniekehle bis hinunter zum Knöchel, sah aber schlimmer aus, als sie vermutlich war. Nur an einer Stelle war die Hautabschürfung so tief, dass es blutete.
    »Tut es weh?«
    »Schürfwunden tun immer weh, sind aber harmlos.« David zog den Strumpf wieder über. »Lasst uns endlich weitergehen.«
    Sie zögerte. Das hier war völlig sinnlos. Sollten sie nicht doch lieber zum College zurückgehen? Aber was dann? Dann musste sie sich damit beschäftigen, was ihre Realität ausmachte.
    Sie bemerkte Roberts Blick, dessen Intensität nicht einmal durch die

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