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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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aber nicht aus der Hand, sondern betrachtete es intensiv.
    Katie glaubte schon, er würde etwas sagen, doch stattdessen wurde er von einer Sekunde zu anderen totenblass. Die Augen weit aufgerissen, kam aus seiner Kehle ein undefinierbarer Laut. Und dann begann Robert zu zittern.
    »Was ist los, Rob?«
    Robert gab keine Antwort. Er hatte die Augen geschlossen, aber fast schien es ihr, als seien seine Pupillen aus Glas. Sein Blick streifte sie kurz, aber er sah einfach durch sie hindurch. Vielleicht war ja auch sie aus Glas.
    Oh, verflucht. Julias kleiner Bruder war offenbar dabei, in eine Art panische Starre zu fallen.
    Sein verwirrter Blick ging über sie hinweg. Er schien sie nicht mehr wahrzunehmen. Er war den ganzen Tag über so cool gewesen, ruhig, klar und jetzt … knallten seine Sicherungen durch.
    »Robert, hörst du mich? Mir geht es gut. Kein Grund, in eine Schockstarre zu fallen. Es ist nichts passiert.«
    Neben ihr rührte sich David. Robert wich zurück. Seine Bewegungen waren verlangsamt, fast als bewege er sich unter Wasser.
    Was ja auch der Fall war. Sie waren unter Wasser. Nur geschützt durch eine Hülle aus Glas, von der niemand wusste, wie stabil sie war. Katie hob unwillkürlich den Kopf und starrte nach oben. Das graublaue Wasser bewegte sich leicht, doch kaum ein Laut war zu hören, als es in regelmäßigen Abständen gegen die Scheibe schwappte.
    »David, was hat er denn?« Katie konnte den ungeduldigen Unterton in der Stimme nicht unterdrücken. Er war einfach immer da, wenn sie sich in einer ausweglosen Situation befand.
    David hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen. Okay, in medizinischen Dingen ließ sie ihm nur zu gern den Vortritt.
    »Robert, Rob, komm zu dir. Es ist alles in Ordnung.« David hatte seine Stimme gesenkt und sprach ganz ruhig.
    Robert starrte noch immer auf das rotbraune Stück der Statue auf Katies Hand, als würden darin alle Antworten auf seine Fragen verborgen sein.
    Katie hatte schon davon gehört, aber sie war noch nie dabei gewesen, wenn Julias Bruder unter Schock stand. Es war, als wolle er mit seiner Verzweiflung die Welt anhalten.
    Demon Days.
    Katie begriff erst jetzt, dass ein Mensch tatsächlich von Mächten heimgesucht werden konnte, die stärker waren als er selbst und sich gegen ihn richteten. Und wenn man nicht aufpasste, fraß es die eigene Seele auf.
    Robert litt Qualen.
    Der Grund musste in dem Gesteinsbrocken liegen, den sie in der Hand hielt und der sich rau und zunehmend unangenehmer anfühlte. Sie hob ihn hoch und betrachtete ihn genauer.
    Zunächst fiel ihr nichts auf.
    Es handelte sich einfach nur um die Abformung der schmalen, zierlichen Hand eines Mädchens. Die Finger waren leicht gekrümmt und am Mittelfinger steckte ein Ring, den Katie kaum sehen, aber genau fühlen konnte. Und sie registrierte, dass das Gestein innen hohl war. Etwas steckte in diesem Hohlraum. Sie fuhr mit dem Zeigefinger hinein, bis etwas herausrutschte, das sich anfühlte wie Leder.
    Und dann dachte sie an den Käfer, den sie gefunden hatte, und die Ameise und erst da begriff sie.
    Auf ihrer Hand lag ein langer, schmaler Finger.
    Woran sie das erkannte?
    An dem Fingernagel war noch ein Rest rosafarbenen Nagellacks zu erkennen.
    Der Finger gehörte zu dem Namen der Inschrift:
    Grace Morgan.

Grace Dossier
    Aufzeichnungen aus Elizas Notizbuch
    (Nacht vom 09. auf den 10. September)
    Vollmond. Sein Gelb ist so klar und rein, man kann Gebirge, Täler, Landschaften erkennen.
    Sein Anblick: nicht beruhigend. Ich werde das Gefühl nicht los, von ihm beobachtet zu werden. Er sieht uns zu, wie wir alle im Kreis um Grace sitzen.
    Wird man uns später fragen, warum wir nichts unternommen haben?
    Natürlich.
    Wir haben Feuer gemacht, alles an Decken und Kissen geholt, um es ihr warm und bequem zu machen. Sobald es hell wird, hat Mark vor, ins Tal abzusteigen, um Hilfe zu holen. Er wird zwei Tage brauchen, mindestens.
    Milton überhäuft uns mit Vorwürfen. Aber wir können sie nicht mal in die Hütte bringen. Jedes Mal wenn er Grace auch nur berührt, fängt sie an zu schreien.
    Bis irgendwann auch das ausbleibt.
    Bald gibt sie keinen Ton mehr von sich.
    Stille. So beängstigend.
    Außer der Wunde am Kopf ist keine Verletzung erkennbar. Die Blutung ist schon lange zum Stillstand gekommen, eine breite rote Kruste zieht sich diagonal vom linken Ohr hinunter zum Hals.
    Hätten wir anders gehandelt, wenn wir die Pilze nicht gegessen hätten?
    Ich weiß es nicht.
    Irgendwann schlafe

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